Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

SALISBURY VERMEIDET ÄUSSERUNG 277 
durchblicken ließ, daß Frankreich und Rußland, letzteres wegen des Suez- 
kanals, sich längst in afrikanischen Fragen gegen England gewandt haben 
würden, wenn wir nicht ihrem Wunsche, Ägypten hineinzuziehen, bis jetzt 
entschieden im Wege gestanden hätten, erwiderte er mir: „Oui, tout irait 
encore bien si nous avions toujours CGaprivi.‘“ Auf meine Frage, 
was er denn dem jetzigen Herrn Reichskanzler vorzuwerfen habe, sagte er: 
„Il a une femme russe.““ Ich erwiderte: „Vous oubliez qu’elle est morte.“ 
Darauf er: „Oui, mais ils ont de grandes proprietes en Russie qui dependent 
du gouvernement russe.“ Ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß ich es 
als lächerlich bezeichnete, dem Fürsten Hohenlohe hervorragende russische 
Sympathien zuzuschreiben, weil die verstorbene Fürstin eine einzige Be- 
sitzung in Rußland vorläufig behalten habe. Sie sehen aber aus diesen hin- 
geworfenen konfidentiellen Äußerungen, wie groß das Mißtrauen gegen 
unsere Absichten ist. Das hat auch seine gute Seite; denn die fragliche Be- 
sorgnis der Engländer ist, wie die Dinge liegen, der einzige Druck, den wir 
hier ausüben können, um koloniale Zugeständnisse zu erreichen. Sie werden 
bemerkt haben, daß Salisbury bis jetzt sorgfältig vermieden hat, über die 
von mir formulierten Vorschläge eine bestimmte Ansicht zu äußern und 
auch nurannähernd anzugeben, wie ersichseinerseits die Auseinandersetzung 
zwischen uns denken würde. Infolge dieser Haltung befindet er sich in der 
angenehmen Lage, 1. mir gegenüber in bezug auf jeden Punkt lediglich zu 
sagen, daß wir viel zuviel verlangen, und 2. uns, wie auch eventuell 
anderen gegenüber, geltend zu machen, daß er überhaupt nichts von uns 
verlangt und uns auch nichts angeboten, sondern lediglich unsere höchst 
unbescheidenen Vorschläge angehört habe. Es blieb, wie die Dinge liegen, 
nichts übrig, als infolge seiner Frage unsere Forderungen im großen und 
ganzen anzugeben, aber wir dürfen ihn meines Erachtens keinen Augenblick 
länger als nötig in der von ihm eingenommenen bevorzugten Stellung 
lassen. Mit anderen Worten: Wenn es zu einer weiteren Besprechung über 
die Auseinandersetzung zwischen uns überhaupt noch kommt, gedenke ich 
den Spieß sofort umzudrehen, jede weitere Erläuterung über die von mir 
formulierten Punkte abzulehnen und mich auf den Standpunkt zu stellen, 
daß es jetzt seine Sache sei, mir mitzuteilen, zu welchen Konzessionen man 
hier in bezug auf die portugiesischen Kolonien Afrikas uns gegenüber bereit 
sei. In bezug auf Chamberlain möchte ich hiernochmals hervor- 
heben und bitte Sie, dies eventuell geltend zu machen, daß mir 
jede Möglichkeit fehlt, mit ihm in direkten geschäftlichen 
Verkehr zu treten, ohne mich mit Salisbury zu entzweien und 
meine weitere amtliche Tätigkeit hier vollständig nutzlos zu 
machen. Aus allen Äußerungen Salisburys seit seiner Rückkehr ging 
stets unverkennbar hervor, daß er es zwar natürlich findet, daß ich die
	        
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