Erwerbung
der Karolinen
und Samoas
282 DER ZIEGELSTEIN
das noch wenig oder gar nicht von europäischer Kultur beeinflußt worden ist
und bei welchem gelegentlich der Verhandlungen wohl zu überlegen ist,
wann der Augenblick des Brüskierens und wann der Milde und des Nach-
gebens am Platze ist. So unglaublich die jüngsten Pekinger Ereignisse
scheinen mögen, sie gehören zur Geschichte dieses Riesenreiches wie unsere
auf heimischem Boden gelieferten Kämpfe und Schlachten. Solche Mo-
mente geschickt auszunutzen, den Chinesen ihre schwache Seite zu zeigen,
ihnen gleichzeitig Vertrauen in unsere Regierung beizubringen, dazu sind
unsere Vertreter berufen. Das Gesagte soll nur eine flüchtige Skizze
sein, und mag mein brennendes Interesse für die Fortentwicklung der
deutschen Sache den Inhalt dieser Zeilen vor Ihren Augen entschuldigen.
Ich verbleibe, mein lieber Herr von Bülow, mit den aufrichtigsten Wünschen
für ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr Ihr sehr treu
und stets dankbarst ergebener Heinrich Prinz von Preußen.“
Das Jahr 1898 bot die Möglichkeit, unseren Kolonialbesitz durch zwei
Erwerbungen zu bereichern, die für das deutsche Volk auch einen Gefühls-
wert hatten. In Samoa und auf den Karolinen besaßen wir erhebliche
wirtschaftliche Interessen. Die eine wie die andere dieser beiden Inselgruppen
bot unserem Handel und unserer Flotte erwünschte Stützpunkte. Alle
Verständigen waren darüber einig, daß Fürst Bismarck 1885 wohl daran ge-
tan hatte, nicht gegen den damaligen hitzigen Widerspruch des spanischen
Volkes von den Karolinen Besitz zu ergreifen, wie dies in jener Zeit der
stürmische Herbert Bismarck wollte. Es war ebenso richtig, daß sich Fürst
Bismarck 1889 mit der durch die Berliner Samoa-Konferenz zwischen
Deutschland, England und Amerika eingesetzten Dreiherrschaft auf Samoa
zufriedengab, obwohl diese Lösung weder für die Ruhe in Samoa noch für
unsere speziellen deutschen Interessen besonders vorteilhaft war. Aber in
weiten Kreisen des deutschen Volkes lebte die Hoffnung fort, daß sich für
Samoa wie für die Karolinen einmal Gelegenheit finden würde, nachzuholen,
was in der Konstellation der achtziger Jahre unterlassen werden mußte.
Anfang März 1899 meldete mir ein Telegramm, daß nach längeren Streitig-
keiten zwischen dem deutschen, dem englischen und dem amerikanischen
Konsul in Samoa englische und amerikanische Kreuzer Apia bombardiert
hätten. Gleichzeitig wären deutsche Kolonisten widerrechtlich verhaftet
worden. Ich befand mich, als diese Hiobspost anlangte, in Flottbek, begab
mich aber sofort nach Berlin. Am Bahnhof erwartete mich Holstein, um
mir in lebhafter, aber, wie mir schien, gespielter Erregung zu sagen, die
einzige Möglichkeit, aus dieser üblen Situation herauszukommen, wäre,
daß ich meinen Abschied einreichte, nachdem mir ein solcher Ziegelstein
auf den Kopf gefallen wäre. Ich entgegnete dem unverbesserlichen Quer-
kopf mit vollkommener Ruhe, daß eine solche Lösung für mich manches