Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

ANEKDOTEN ÜBER KARL ALEXANDER 285 
dort einen mehrtägigen Aufenthalt. Der Botschafter Fürst Chlodwig Hohen- 
lohe machte ihn darauf aufmerksam, daß er dem Präsidenten Grevy einen 
Besuch abstatten müsse. Der Großherzog weigerte sich, dies zu tun, da er 
als Vetter und Freund des Hauses Orleans nicht zum Präsidenten der Re- 
publik gehen könne. Schließlich gab er nach und begab sich mit dem Bot- 
schafter und mir in das Elysee. Ein unglücklicher Zufall wollte, daß der 
Großherzog einige Zeit warten mußte, bevor er bei Gr&vy eintreten konnte. 
Um ihn, der schon ärgerlich wurde, zu beschwichtigen, meinte, unter An- 
spielung auf des guten Johann Gottfried Seume bekanntes Gedicht „Der 
Wilde‘, Fürst Hohenlohe lächelnd: „Grevy ist eben ein Kanadier, der 
Europens übertünchte Höflichkeit nicht kennt.“ Hocherfreut replizierte 
der Großherzog: „Oh, er ist aus Kanada, das macht ihn mir wenigstens 
interessant!“ Alles Exotische zog ihn an, wie viele Deutsche der alten 
Generation. Während desselben Pariser Aufenthalts wünschte der Groß- 
herzog, wie er sich ausdrückte, der großen Interpretin von Corneille und 
Racine, Fräulein Sarah Bernhardt, die Glückwünsche der Bühne von Goethe 
und Schiller zu überbringen. In dem Appartement der Künstlerin empfing 
ihn ein schr wohlerzogener junger Mann, der ihm als der Sohn des Hauses 
vorgestellt wurde. Etwas erstaunt frug der Großherzog, wie es käme, daß 
Fräulein Bernhardt einen Sohn habe und wer der Vater wäre. Als er die 
Antwort erhielt, der Vater sei ein Prinz de Ligne, meinte Karl Alexander: 
„Nun, das macht die Sache besser.‘ Ich möchte nur noch eine Anekdote 
hinzufügen, weil sie Art und Geist einer hinter uns liegenden, schöneren Zeit 
anschaulich wiedergibt. Der Großherzog wohnte in den siebziger Jahren in 
Deutz einem Liebesmahl des stolzen 8. Kürassierregiments bei, dessen Chef 
er war. Er saß oben am Tisch, am unteren Ende die jungen Offiziere, unter 
denen plötzlich große Heiterkeit entstand. Ein kecker Leutnant, Herr von 
P., hatte mit leiser Stimme den nachstehenden Toast ausgebracht: 
„Das Rindvieh säuft aus dem Eimer, 
Es lebe der Großherzog von Weimar!“ 
Der Großherzog frug nach der Ursache des Jubels. Ein unvorsichtiger 
Fähnrich vergaloppierte sich und sprach von einem Toast. Der Großherzog 
wollte den Toast hören. Leutnant von P. erhob sich und rief mit sonorer 
Stimme, mit einer wahren Kürassierstimme, in den Kasinosaal: 
„Besser als die Pappenheimer 
Reiten die Kürassiere des Großherzogs von Weimar!“ 
Sehr befriedigt verlich ihm der Großherzog nach Tisch den Falkenorden 
3. Klasse, dessen Großkreuz Goethe trug. Derselbe Großherzog Karl 
Alexander, der Heiterkeit erregen konnte, hatte in Weimar, in anderer Art
	        
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