Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Samoa- 
Debatte im 
Reichstag 
288 „VERRÄTER“ 
erfüllt über den erworbenen Gebietszuwachs drei weithin schallende Hurras 
auf das deutsche Vaterland ausgebracht, und noch waren dieselben kaum 
verklungen, als die von schweren Wolken bedeckte Sonne plötzlich hervor- 
brach. Die hellen Strahlen erschienen wie ein Symbol des Himmels, der 
auch fernerhin mit unserem geliebten Vaterlande sein möge.‘“ Schon vorher 
hatte ich von S.M. dem Kaiser und allen Herren seiner Umgebung aus 
Prökelwitz, dem ostpreußischen Besitz des Fürsten Richard Dohna, 
das nachstehende Telegramm erhalten: „Staatssekretär von Bülow, Berlin. 
Dem gewandtesten Staatsmanne, dem weisesten Berater, dem liebens- 
würdigsten Carolinen- und Marianen-Besorger bringen ein dankbar don- 
nerndes Hurra Wilhelm I. R., Philipp Eulenburg, v. Kessel, Eberhard 
Dohna, Dohna-Malmitz, Finckenstein-Simnau, Ilberg, Mackensen, Richard 
Dohna.“ 
Kessel ist der spätere Generaloberst, Gouverneur von Berlin und Ober- 
kommandierende in den Marken; der damalige Oberst und Flügeladjutant 
Mackensen hat als ruhmvoller Heerführer im Weltkriege seinen Namen für 
immer in die Geschichte eingetragen. Wer hätte mir damals in Aussicht 
gestellt, daß derselbe Fürst, der mich mit so gnädigen, vielleicht zu gnädigen 
Worten bei der Erfüllung meiner schweren Amtspflichten ermutigte, mich 
später der langen Liste derjenigen anreihen würde, die er mit dem Prädikat 
„Verräter“ beehrte! „Verlaßt euch nicht auf Fürsten‘, sagt der Psalmist, 
und es deutet auf intime Kenntnis der Höfe, wenn der Generaladjutant 
Leopold von Gerlach unter Friedrich Wilhelm IV. von Zeit zu Zeit bei der 
Morgenandacht singen ließ: 
Verlasset euch auf Fürsten nicht! 
Sie sind wie eine Wiege; 
Wer heute „Hosianna“ spricht, 
Ruft morgen: „Crucifige!“ 
Während der Debatten, die im Reichstag über die Regelung der Samoa- 
Frage wie die Erwerbung der Karolinen-, Marianen- und Palau-Inseln 
stattfanden, legte ich die Grundsätze dar, die für die Behandlung inter- 
nationaler Differenzen unverrückbar für mich feststanden. In einer dieser 
Diskussionen hatte im Juni 1899 einer der lautesten Wortführer der so- 
genannten alldeutschen Richtung, der antisemitische Abgeordnete Lieber- 
mann von Sonnenberg, von der „wenig beneidenswerten Rolle“ gesprochen, 
die wir in Samoa gegenüber England gespielt hätten. Ich entgegnete, daß 
wir nichts unterlassen würden, damit unseren Landsleuten ihr gutes Recht 
würde. Wir würden nicht um eines Haares Breite von unserem guten Recht 
abweichen. Aber ich fügte hinzu: „Auf der andern Seite werden wir 
nicht vergessen, daß internationale Differenzen, bei denen sich nicht nur
	        
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