292 DIE BUREN-BEGEISTERUNG
Behandlung der dadurch entstandenen Krise es zum Weltkrieg kommen
ließen.
Ich war mir während des südafrikanischen Krieges nicht einen Augen-
blick darüber im Zweifel, daß England den Kampf siegreich durchführen
würde. Bei seiner außerordentlichen Überlegenheit an Menschenzahl, an
Geld und an Hilfsmitteln aller Art mußte es die Oberhand behalten, wenn
es Truppen nach Südafrika schicken konnte. Das konnte es, solange es die
Meere beherrschte, und es beherrschte die Wellen. Ähnlich wie während des
spanisch-amerikanischen Krieges beurteilten auch im südafrikanischen
Konflikt weite deutsche Kreise, und selbst militärische Kreise, die Situation
in Südafrika, weilmit dem Gefühl, in unzutreffender Weise. Die militärische
Suite Seiner Majestät, darunter sonst verständige Leute, war überzeugt,
daß die Engländer mit den Buren nicht fertig werden würden, und der
Kaiser neigte von Zeit zu Zeit dieser Ansicht zu. Die öffentliche Meinung in
Deutschland betrachtete die ganze Lage nicht mit dem Kopf, sondern mit
dem Herzen, und das deutsche Herz war Feuer und Flamme für die armen
Buren. Ich war von Anfang an entschlossen, uns an Schritten für die Buren
und gegen die Engländer nicht zu beteiligen. Ich fühlte mich hierzu um so
mehr berechtigt, als ich seit Monaten, seitdem die Beziehungen zwischen
England und den südafrikanischen Republiken wieder gespannter gewor-
den waren, diesen und ganz besonders dem Präsidenten Krüger dringend
Vorsicht und Entgegenkommen angeraten und gar keinen Zweifel darüber
gelassen hatte, daß die Buren bei aller in Deutschland für sie bestehenden
Achtung und Sympathie auf Hilfe von unserer Seite nicht zu rechnen
hätten. Ich wußte, daß, wenn es zu einem Konflikt zwischen Rußland,
Frankreich und England käme, die Franzosen nicht mit uns gegen England
fechten, sondern uns in den Rücken fallen würden. Welche Schwenkung
dann das seit acht Jahren mit Frankreich verbündete Rußland machen
würde, war nicht mit Bestimmtheit vorauszusagen. Die französische Presse
goß über England Kübel der Entrüstung, des Hohnes und des Hasses aus.
In den Zeitungskiosken der Pariser Boulevards prangten unsäglich gemeine
Karikaturen der Witzblätter auf die Königin Victoria. Aber in einer Be-
sprechung, die in dieser Zeit zwischen französischen Staatsmännern der
verschiedensten Richtungen stattfand, stimmten alle maßgebenden Leute
Waldeck-Rousseau zu, als er erklärte, daß ein Zusammengehen mit Deutsch-
land in einer ernsten und großen Frage so viel bedeute, als wieder und end-
gültig die Abtretung von Elsaß-Lothringen zu unterzeichnen, und das sei
unmöglich.
Meine Meinung, daß weder Rußland noch Frankreich daran dächte,
etwas Ernstliches für die Buren zu tun, wurde auch von dem weitsichtigsten
unserer Diplomaten, dem Botschafter in London, dem Grafen Paul