Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

304 DIE SCHULDEN DES LORDS LONSDALE 
auch bei der Königin ausübt. Unter seinen eigenen Standesgenossen erfreut 
sich Lord Lonsdale einer sehr geringen Achtung, und das allgemeine, mir 
längst bekannte Urteil über ihn läßt sich dabin zusammenfassen, daß er 
niemals und unter keinen Umständen ein wahres Wort spricht. Hiervon 
abgesehen, ist die Königin entsetzt darüber, daß Lord Lonsdale, der tief in 
Schulden steckt und für den letzten Kaiserbesuch eine Million Mark aus- 
gegeben haben soll, durch den jetzt beabsichtigten Besuch in neue Schulden 
verwickelt werden wird. Diese Auffassung teilt der Prinz von Wales voll- 
ständig, und ich glaube, es anführen zu müssen, wenn wir auch auf ihn viel- 
leicht weniger Rücksicht zu nehmen brauchen. Andererseits wird mir 
bestimmt versichert, daß die Königin sich mit dem Besuche versöhnen 
ließe, wenn es nicht der einzige ist und wenn Seine Majestät außerdem die 
Einladung nach Chatsworth-House, dem Schloß des Herzogs von Devon- 
shire, annimmt. Letzteres scheint mir, wie ich bereits ausgesprochen habe, 
auch an sich mit Rücksicht auf die Stellung des Herzogs und seiner Frau 
und die letzthin von beiden an den Tag gelegte deutschfreundliche Gesin- 
nung besonders wünschenswert. Jedenfalls möchte ich dringend um eine 
baldmöglichste telegraphische Entscheidung darüber bitten, da der Herzog, 
so prachtvoll Chatsworth auch sein soll, doch einige Vorbereitungen zu 
treffen hat, die ein paar Tage erfordern würden. Zu amtlichen Berichten 
über die Situation und den Krieg in Südafrika fehlt es mir an Zeit, und ich 
könnte auch nur wiederholen, daß man hier fest entschlossen ist, den Krieg 
ohne Rücksicht auf Opfer an Menschen und Geld siegreich zu Ende zu 
führen. Es darf angenommen werden, daß die Erklärung Lord Salisburys bei 
dem -vorgestrigen Lordmayors-Diner, wonach England keine Intervention 
dulden würde, den Gefühlen des überwiegenden Teils der öffentlichen Mei- 
nung vollständig entspricht und daß ein etwaiger Versuch Frankreichs 
und Rußlands, sich jetzt oder später in die Lösung der südafrikanischen 
Frage einzumischen, entschieden zurückgewiesen werden würde. Meine 
Besorgnis ist, wie ich hinzufügen darf, nur, daß Frankreich und Rußland 
einen solchen Versuch weder zusammen noch gesondert unternehmen 
werden. Unsere Aufgabe scheint mir, wenn ich eine Ansicht darüber aus- 
sprechen darf, durch unsere Interessen vorgeschrieben zu sein. Wir müssen 
mit beiden Teilen, Rußland und Frankreich auf der einen und England auf 
der anderen Seite, möglichst gute Beziehungen unterhalten, ohne für 
den einen oder anderen Partei zu ergreifen, solange sie nicht 
in Konflikt miteinander geraten. Tritt dieser Fall ein, der mit der 
Zeit wohl kaum ausbleiben kann, sei es in Asien oder anderwärts, so wird 
es in der Hand Seiner Majestät des Kaisers liegen, wie ich mir mehrmals 
erlaubt habe Allerhöchstdemselben mündlich vorzustellen, den Ausschlag 
zu geben und Seine Bedingungen dafür zu stellen. Hier besteht sowohl bei
	        
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