Bankett in
Windsor
308 DIE QUEEN BEIM PRUNKMAHL
aller Bemühungen des Grafen Posadowsky sans phrase abgelehnt worden.
Hatte Wilhelm II. durch eine rednerische Unvorsichtigkeit die Möglichkeit
geboten, die Arbeitswilligen-Vorlage zur „Zuchtbausvorlage‘“ zu stempeln,
so sprachen jetzt die Sozialisten mit häßlicher Wendung von einer „Ver-
scharrung“ der Vorlage. Der Kaiser, der sich für das Zustandekommen
dieser Vorlage nur zu stürmisch eingesetzt hatte, nahm im Hochgefühl der
in Windsor empfangenen Eindrücke die Ablehnung mit Gleichgültigkeit
auf. Inzwischen war eine halbe Schwadron Horse-Guards in dem mächtigen
Schloßhof aufmarschiert, hochgewachsene, stattliche Offiziere, herrliche
Pferde, wie sie nur in England zu sehen sind. Während der bewundernde
Blick des Kaisers auf diesen Reitern und diesen Rossen ruhte, erblickte er
einen unglücklichen Mann in blauem Frack mit goldenen Knöpfen, der sich
durch die Reiter durchzuschlängeln suchte, was einige Pferde scheu machte.
Es war Pückler, der sich in den Augen Seiner Majestät nun endgültig für
England unmöglich gemacht hatte. Ich trug dafür Sorge, daß der liebens-
würdige und geschickte Diplomat in gleicher Eigenschaft, d.h. als Bot-
schaftsrat, nach Wien versetzt wurde, wo er sich glücklicher fühlte als in
England.
Am Abend des 21. November fand das Prunkmalhl statt. Als die Gäste
versammelt waren, erschien die Königin, eine alte, kleine, unscheinbare
Frau, getragen in einer kostbaren Sänfte von vier in reiche seidene Stoffe
gekleideten, mit Juwelen bedeckten Indern. Neben der Sänfte ging der
Kaiser, der mit allen Zeichen herzlicher Ehrerbietung und tiefsten Respek-
tes seine Großmutter „‚cotoyierte“, wie es in der Paradesprache heißt. Bei
der Tafel saß der Kaiser der Königin gegenüber. Ich hatte meinen Platz
in der Nähe der Königin und konnte sie wohl beobachten. Sie hatte etwas
Rührendes in der Art, wie sie sich hielt, aß und trank. In diesen Augen-
blicken erinnerte die Beherrscherin eines Weltreichs an ein gutes Mütter-
chen in Hannover, Hamburg oder Holstein, die mit der Gabel sorgsam sich
auf dem Teller die weichsten Kartoffeln aussucht und mit dem Messer den
Hühnerflügel schneidet. Hinter ihr standen die Träger ihrer Sänfte, indische
Fürstensöhne. In auffälligem Gegensatz zu den Berliner Galatafeln, wo die
Musikkapellen unsere herrlichen preußischen Märsche so schmetternd
bliesen, daß die Worte des Nachbarn schwer zu versteben waren, aber trotz-
dem in den Pausen zwischen den Märschen lebhafte Konversation geführt
wurde, herrschte bei dem Mahle in Windsor fast lautlose Stille. Sie wurde
nur dadurch unterbrochen, daß der Prinz von Wales folgenden kurzen
Toast ausbrachte: „The German Emperor and the German Empress.“
Der Kaiser erhob sich und erwiderte: „The Queen.“ Der Engländer findet,
nicht ganz mit Unrecht, den Deutschen, besonders bei Tisch, zu laut,
rather noisy. Ich entsinne mich eines Frühstücks in Friedrichshof, nicht