Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

424 Erster Theil. Neunter Titel. 
Erster Abschnitt. 
Von der ursprünglichen Besitzuehmung. 
Heimbach, Oerupation; in Weiske's Rechtslexikon, Bd. VII, S. 553 ff. 
§. 7. Die Besitznehmung solcher Sachen, auf welche noch Niemand ein Recht 
hat, wird die ursprüngliche (originaria) genannt. 
§. 8. Wie weit das Recht, herrenlose Dinge in beut zu nehmen, ein Vorbe- 
halt des Staats sei, ist gehörigen Orts bestimmt. *- II, Tit. 16.) 
§. 9. Wer eine herrenlose, dem Staate nicht vorbehaltene Sache wirklich in seine 
Gewalt bringt. der wird von dem Augenblick an, da solches geschieht, Eigenthümer 
der Sache. 
Ergreifung andererseits machen die Realform der leebergale aus. Hieraus ergiebt sich, daß z. B. in 
der Anfchfung ausgeworsener Sachen, wie z. B. der Münzen bei Gelegenheit von Krönungsseierlich- 
keiten, keine mittelbare Erwerbung ist; denn das Auswerfen für Jedermann ist eine Dereliktion und 
das Aufnehmen eine Okkupation, welche beide juristisch nicht zusammen hängen. — Dagegen ist duach 
das fragliche Merkmal für diejenigen Erwerbungen nichts entschieden, welche überhaupt keine Besitz- 
nehmung erfordern (§. 4)0. Ob eine solche Erwerbung eine unmittelbare oder eine mittelbare sei, hängt 
davon ab, ob der Erwerber ein Nachfolger eines vorigen Besitzers ist, oder nicht. S. die Anm. 1 a. 
E. Wer z. B. durch Alluvion erwirbt, allmählich erwirbt, vollzieht gar keine Besitzhandlung und 
wird auch nicht Suceeisor desjenigen, dem der weggeführte Boden früher gehörte; er erwirbt daher 
ummittelbar. Dagegen ist der Legatar, der gleichfalls Eigenthum (nur nicht riig ohne Besitzergreifung 
erwirbt, ein wirklicher Successor des vorigen Eigenthümers, solglich ist sein Erwerb ein mittelbarer. 
Die Besitzerledigung, welche ein wesentlicher Bestandtheil der mittelbaren Erwerbung ist, kann 
von Seiten des bieherigen Besitzers auch mit Vorbehalt oder unter einer Bediugung geschehen, welches 
die rechtliche Wirkung hat, daß bei einem Vorbehalte das Eigenthum zwar auf den neuen Erwerber 
sogleich übergeht, aber in dem eventuellen Falle als bei dem bisherigen Eigenthümer verblieben er- 
acher wird. Ein solcher Vorbehalt ist in der erzwungenen Deposition einer Sache oder Summe, zu 
deren Leistung Jeinand verurtheilt ist, enthalten, wenn er dieselbe, unter Einlegung des noch übrigen 
Rechtsmittels, zur Abwendung der Exekution niederlegt; er wirkt, in sofern das Rechtemnrten. Erfolg 
hat, wie eine Resolutivbedingung. Aus diesem inneren Zusammenhauge erklart sich das durchaus 
begründete Pr. des Obertr. 1225, v. 26. November 1842: „Wenn der Schuldner gegen das ihn kon- 
demnirende Urel die Nichtigkeitsbeschwerde erhoben und die erkannte Sumne zur Abweinung der Exe- 
kution ac depositum gezahlt hat, demnächst aber mit der Nichtigkeitsbeschwerde sukkumbirt, so d3 
das Eigenthum des depositi ohne besondere Uebergabe sofort auf den Gläubiger über, und wird nicht 
dadurch vereitelt, wenn bald nachher über das Vermögen des Schuldners Konkurs eröffnet ist, ehe 
die Auszahlung des depo#lii verfügt oder erfolgt war.“ Die Uebergabe war nämlich schon bei der Zah- 
lung ad depositum in der That, zu Händen des Nichters, geschehen; der Richter hatte nur die Ge- 
wahrsam für den Gläubiger, und wenn es entschieden ist, daß der Fall des Vorbehalts nicht eintrifft, 
so haben nur der Richter als Depositarius und der Gläubiger, für welchen durch Geschäftebesorgung 
deponirt worden ist, mit einander zu thun, und die Zeit der Auseinandersetzung zwischen ihnen h- 
lungsverfügung und Anszahlung) ist für den vorigen Eigenthümer ein gang gleichgültiger Umstand. 
Weun der bisherige Eigenthümer nicht in der Lage ist, den Besit der veräußerten Sache aufzu- 
geben, weil ein Dritter in deren Besitze ist, so kann der Erwerber weder Eigenthümer noch Besitzer 
werden, ohne daß der Dritte den Besitz aufgiebt. Gegen diesen hat der Erwerber gar kein Klagerecht, 
kein dingliches, weil er noch kein dingliches Recht hat, und kein persönliches, weil er eben zu dem 
Dritten in Beziehung auf die Sache in keinem Rechtsverhältnisse steht. Auch aus dem Rechte des 
Veräußerers zu klagen ist er durch seinen Rechtstitel als solchen nicht legitimirt. Es giebt zwar hier- 
über eine andere Meinung (Ulrich, Archiv, Bd. III, S. 360), allein die Praxis hat sich für die hier 
vertretene richtige Meinung entschieden, indem das Pr. des Obertr. 852, v. 3. April 1810 ausspricht: 
„Der Käufer eines Grundstücks ist als solcher nicht berechtigt, die vor Abschluß des Kausgeschäfts sei- 
tens des Verkäufers durch mündlichen Vertrag davon veränßerten unbeweglichen Pertinenzstücke zu 
vindiziren.“ (Entsch. Bd. VI. S. 279.) Ueber die wahren Rechtsgründe dieses Sadyes s. m. Beur- 
theilung der Entsch. S. 441. Der Erwerber kann sich aber von seinem Auktor die demselben etwa zu- 
stehende Vindikations= oder Publicianische Klage mit voller rechtlicher Wirkung erdiren lassen. (5. A.) 
Der Käufer eines Grundstücks kann als solcher auch eine vor Abschluß des Kaufsgeschäfts seitens des 
Verkänfers mündlich konstituirte Grundgerechtigkeit, welche sichtbar oder ihm bekannt war (Anm. 16, 
Abs. 2 zu §. 135, Tit. 5), und einen, solchergestalt einem Dritten bestellten und thatsächlich einge- 
räumen Nießbrauch nicht anfechten. Erk. des Obertr. vom 11. November 1864 (Arch. f. Rechtsf. 
Bd. LIV, S. 357). Weil Niemand mehr Rechte erwerben kann, als ihm angetragen werden. 
  
 
	        
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