DER DEUTSCHE BARON 343
warf, daß er sich gegen sie und ihren verewigten Gemahl während dessen
Leidenszeit in San Remo falsch und undankbar benommen hätte, und den
Admiral von Senden, dessen Brouille mit dem Prinzen von Wales ich schon
erwähnte.
Unter den Eingeladenen in Sandringham befand sich auch der Attache
der deutschen Botschaft, Herr von Eckardstein. Er hatte als Leutnant bei
den 6. Kürassieren in Brandenburg an der Havel gestanden und war später
zu unserer Botschaft in Washington kommandiert worden, wo er durch
einen kleinen Coup die Aufmerksamkeit von Herbert Bismarck auf sich
zog. Eckardstein machte nach einem Diner, das er mit diplomatischen
Kollegen im ersten Stock eines Restaurants eingenommen hatte, die Wette,
daß er früher als die anderen auf der Straße stehen würde. Dies gelang ihm
auch, da alle die Treppe hinunterliefen, er aber aus dem Fenster sprang,
wobei er sich zwar den Fuß verstauchte, aber die Wette gewann. Diese
Kraftprobe gefiel Herbert Bismarck, der für dergleichen Späße viel Sinn
hatte. Er ließ Eckardstein, der eigentlich zu seinem Regiment hätte zurück-
kehren sollen, noch ein Jahr zur Botschaft in London kommandieren, wo
mehr los war als in der alten Stadt an der blauen Havel, wo sich Burggraf
Friedrich von Nürnberg 1412 als erster Hohenzoller von märkischen Män-
nern huldigen ließ. In London fiel dem jungen Kürassierleutnant das große
Los in den Schoß. Es gelang Eckardstein, die Hand einer hübschen, liebens-
würdigen und dazu sehr reichlich mit Glücksgütern gesegneten jungen
Dame zu erobern. Sie war die einzige Tochter des Sir John Blundell Maple,
des größten Möbelfabrikanten in England, der, entzückt, einen „german
baron“ zum Schwiegersohn zu bekommen, ihn testamentarisch zu seinem
Universalerben einsetzte, was Eckardstein die Anwartschaft auf vierzig
bis fünfzig Millionen Mark gewährte, in der Vorkriegszeit immerhin eine
erkleckliche Summe.
Eckardstein hatte sich durch seine Heirat eine gewisse Stellung in der
englischen Gesellschaft gemacht. Es war ihm namentlich gelungen, nähere
Beziehungen zu dem Kolonialminister Chamberlain anzuknüpfen, und so
kam ich auf den Gedanken, ihn vom Attach& zum Botschaftsrat avancieren
zu lassen und zum Nachfolger von Pückler zu machen. Es war dies, wie die
Folgezeit bewies, kein glücklicher Griff von mir. Hätte ich damals gewußt,
wie völlig sich Eckardstein von dem unendlich viel bedeutenderen Cham-
berlain beherrschen ließ, hätte ich namentlich geahnt, wie sehr Eckard-
stein dazu neigte, Börsenspekulationen zu unternehmen, an denen erschließ-
lich finanziell und moralisch zugrunde gehen sollte, so würde ich diesen
Fehler nicht begangen haben. Und doch hatte mich Graf Paul Metternich
gewarnt, damals Gesandter in Hamburg, früher Botschaftsrat und später
Botschafter in London. Dieser, mit Graf Paul Hatzfeldt wohl der beste
Attache
v. Eckardstein