DIE KAISERIN FRIEDRICH GEREIZT 345
angebeteten englischen Heimat und ihrem ihr weniger sympathischen
deutschen Adoptivvaterland. Sie hätte es sogar nicht ungern gesehen,
wenn die deutsche Politik ganz in den Dienst der englischen gestellt worden
wäre. Aber andererseits wurmte es sie, daß ihr Sohn, den sie gar nicht
mochte, in England einen guten Empfang gefunden hatte. Sie schrieb mir
am 1. Dezember 1899 aus dem von ihr so schr geliebten Süden:
Trento, Imperial Hotel
Verehrter Herr von Bülow,
ich bin Ihnen sehr verbunden, daß Sie mir aus England geschrieben
haben. Der Brief ist soeben eingetroffen, und ich eile, Ihnen meinen
besten Dank zu sagen. Es lag mir fern, zu erwarten, daß Sie bei der
enormen Arbeitslast, die auf Ihnen liegt, mir schreiben würden, ebenso-
wenig, daß man beim Besuch in England sich meiner erinnern würde.
Ich hoffe, mein Sohn hat die Zeit genossen, und daß es ihm und der
Kaiserin eine Erfrischung gewesen ist, in meiner schönen Heimat und bei
den lieben Meinigen zu sein, wo sie stets so freundlich aufgenommen
worden sind. Von dort hörte ich nur Ausdrücke der Befriedigung über
den Besuch, so daß ich hoffe, der Eindruck des Krüger-Telegramms wird
nun vergessen sein. Sie erwähnen, mein Vaterland habe leider viele
Feinde. Man braucht bloß in Deutschland zu leben, um daran keinen
Zweifel zu haben. Neid und Vorurteile lassen sich schwer bekämpfen,
und es ist verlorene Mühe, auf billige und gerechte Beurteilung in Publi-
kum oder Presse zu hoffen, wo so lange absichtlich blinder Haß und Übel-
wollen gepredigt und genährt worden sind. Ich will Ihre kostbare Zeit
nicht länger in Anspruch nehmen, und angelegentlichst dankend bleibe ich
Ihre
V., verwitwete Kaiserin und Königin Friedrich
Bedauerlich war mir nicht nur der gereizte Ton des Briefes, sondern vor
allem, daß die hohe Frau, die in regem Briefwechsel mit ihrem ältesten
Bruder, dem Prinzen von Wales, ihrer Mutter, mit allen ihren Schwestern
und vielen einflußreichen Engländern stand, die durch den Burenkrieg
hervorgerufene, von mir beklagte und bekämpfte deutsche Erregung gegen
England so sehr akzentuierte und in den Vordergrund schob.
In dem holländischen Hafenort Vlissingen, wohin uns die „Hohen-
zollern‘“‘ von Plymouth führte, erwarteten uns die beiden holländischen
Königinnen an der Landungsbrücke. Sie schienen sehr erfreut, uns wieder-
zusehen, und wurden auch von der Kaiserin mit Herzlichkeit begrüßt
und umarmt. Der Kaiser, ganz erfüllt von den großartigen englischen