DON QUIXOTE UND SANCHO PANSA 13
Schwaden die Ausdünstungen der Intrigen lagerten, die dort seit Jahren
gezettelt worden wären. An solchen Intrigen hatte es selbst in der Zeit
des Fürsten Bismarck nicht gefehlt, aber wie die Sonne Nebelqualm, so
durchbrach sein Genius solche Schattenseiten der Politik und der Menschen.
Auch hatte während der sechs Jahre, wo mein Vater unter dem Fürsten
Bismarck als Staatssekretär wirkte, sein auf innerliches, wahres und tiefes
Christentum gegründetes, jeder Eitelkeit und Äußerlichkeit abgewandtes
Wesen eine wohltätige Wirkung auf die inneren Zustände des von ihm ge-
leiteten Amtes nicht verfehlt. Nicht ohne Grund war ihm dort der Beiname
„die heilige Kraft‘ beigelegt worden. Nach dem Scheiden des großen
Fürsten hatten Holstein und Kiderlen unter dem redlichen Caprivi wie
unter dem vornehm denkenden Hohenlohe gewiß oft intrigiert, aber sie
waren in ihrer Art und bei allen Fehlern beide in erster Linie um das Wohl
des Landes besorgt. Holstein war ein strammer Preuße. Der Gedanke,
daß Preußen und Deutschland ihre Stellung verlieren, von anderen
Mächten geschädigt oder mißbraucht werden könnten, erregte ihn bis in
die Tiefe seiner Seele. Man konnte von ihm in Wahrheit sagen, daß der Eifer
um unser Haus ihn verzehrte, ja manchmal ihm den Sinn für die Realität
der Dinge raubte und seine Wachsamkeit in übertriebenes Mißtrauen ver-
wandelte. Kiderlen verbielt sich auch hier zu Holstein wie Sancho Pansa zu
Don Quixote. Jeder Schwung, jede idealere Auffassung der Dinge lagen
ihm fern. Er war immer terre ä terre, aber er hatte ein starkes Gefühl für
das Renommee urid den Vorteil der Firma, deren Konkurrenten er auf-
merksam auf die Finger sah. Mit Bethmann kam ein Mann in die leitende
Stellung im Reich, der von auswärtiger Politik nichts verstand und der die
Hoffnung, er werde sich in sie allmählich hineinfühlen und hineinwachsen,
leider völlig enttäuschte. Als auch Kiderlen vom Schauplatz verschwand
und der körperlich wie geistig gleich kleine Jagow ihn ersetzte, wurde unser
Auswärtiges Amt mehr und mehr zu einer Behörde, wo fast nur Mittel-
mäßigkeiten sich tummelten, die Arbeit immer mangelhafter geleistet
wurde und schließlich kaum noch ein einziger politischer Kopf sich
betätigte. Das Auswärtige Amt von 1914 war denn auch die Brutstätte, in
der das Unheils-Ei des Ultimatums an Serbien ausgebrütet wurde. Hier
wurden fast alle die fürchterlichen Fehler begangen, durch die wir in
den Krieg hineingerieten und den Krieg verloren.
Am 26. trafich in Kiel ein. Ich stieg im Hotel Germania ab und ließ mich
sogleich an Bord der „Hohenzollern“ rudern, wo ich von dem diensttuenden
Flügeladjutanten, Oberst von Loewenfeld, empfangen wurde. Herr von
Loewenfeld entstammte dem 1. Garderegiment zu Fuß, dem „ersten
Regiment der Christenheit“, wie seine Offiziere in alten Zeiten zu sagen
pflegten, einem Regiment, das sich in allen preußischen Feldzügen mit
An Bord der
„Hohen-
zollern‘*