DIE HUNNENREDE 359
die ihre Geschäfte führen, das deutsche Ansehen und die deutsche Ehre
mit Schnelligkeit und Nachdruck zu wahren wissen. Dies ist die Politik, die
ich bei Seiner Majestät dem Kaiser vertreten habe und welche die Aller-
höchste volle Zustimmung fand.“ In der Theorie hatte das in vorstehenden
Sätzen von mir skizzierte Programm allerdings die Allerhöchste Zustim-
mung gefunden, tatsächlich aber riß den Kaiser die ungestüme Unbesonnen-
heit, die ihm in seinen Reden eigen war, immer wieder zu bedauerlichen
Expektorationen hin.
Die schlimmste Rede jener Zeit. und vielleicht die schädlichste, die
Wilbelm II. je gehalten hat, war die Rede in Bremerhaven am 27. Juni
1900. Als Hohenlohe und ich dort eintrafen, erblickten wir am Hafen, wo
die für Ostasien bestimmten Truppen aufgestellt waren, ein hölzernes Ge-
rüst. Es wurde darüber bin und her geredet, welchem Zweck es dienen
sollte. Die einen meinten, daß sich die Feuerwehr von Bremerhaven an
diesem Turm für Feuersbrünste einexerziere, andere glaubten, die Matrosen
sollten hier Turnübungen anstellen. Plötzlich erschien der Kaiser und er-
kletterte die, wie sich jetzt berausstellte, für ihn errichtete Redekanzel.
In der Rede, die er von diesem Podium mit scharfer, weithin reichender
Stimme hielt, befand sich der Satz: „Pardon wird nicht gegeben, Gefangene
werden nicht gemacht! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter König
Etzel sich einen Namen gemacht haben, der sie noch jetzt in Überlieferung
und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in
China auf tausend Jahre durch euch in einer Weise betätigt werden,
daß niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel
anzusehen.‘ Noch während der Kaiser sprach, setzte ich mich mit dem
Direktor des Bremer Lloyd, dem verständigen Herrn Wiegand, in Ver-
bindung, um alle anwesenden Journalisten darauf zu verpflichten, daß sie
diese Rede nicht ohne vorherige Korrektur durch mich veröffentlichen
würden. Diese Zusage wurde auch von allen gegeben und loyal gehalten.
Als ich auf die „Hohenzollern“ zurückkehrte, meldete sich ein Berliner
Publizist bei mir, der die Rede wörtlich nachstenographiert hatte und
glücklich war, sie als erster seinem Blatt telegraphieren zu können. Auf
mein Zureden erklärte er sich in anständiger Weise bereit, auf diese Primeur
zu verzichten und die Kraftstellen der kaiserlichen Ansprache zu unter-
drücken. Während der Kaiser gesprochen hatte, war das Gesicht des
einundachtzigjährigen Fürsten Hohenlohe immer länger geworden. Er
hatte mir kaum drei Monate vorher telegraphiert: „Seien Sie versichert,
daß ich, solange ich noch fähig bin, mein Amt zu verwalten, glücklich sein
werde, auf Ihre Mitarbeit rechnen zu dürfen.‘ Jetzt meinte er, indem er sich
mit resigniertem Gesicht mir zuwandte: „Das kann ich unmöglich im
Reichstag vertreten, das müssen Sie versuchen.“ Bei der Abendtafel