Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DIE POSE 367 
Als ich in Berlin eintraf, meinte Holstein, dem gegenüber der chinesi- 
schen Komplikation zumute war wie einem alten Schwadronsgaul, der die 
Trompete hört und das Signal „Galopp“, und der diesmal ganz bei der 
Sache war: „Der Kaiser bildet sich ein, daß, wenn er mit dem Zaren einig 
ist, der ganze Erdball hinterherrollen muß. Das wird aber nicht so einfach 
sein, wie er glaubt. Gehen wir aber mit gutem Mut an die Sache, wir werden 
es schon schaffen.‘ Meine Besprechungen mit den fremden Botschaftern 
in Berlin waren mühsam. Sie waren auch nicht besonders erquicklich. Ich 
erreichte aber schließlich, daß alle Mächte, wenn auch nicht gerade freudig, 
die Franzosen sogar recht widerwillig, der Wahl des Grafen Waldersee 
zustimmten. Ich stellte mich bei diesen Unterredungen auf den Boden 
meines Rundschreibens vom 11. Juli über die chinesische Frage, das in 
Deutschland ziemlich allgemein Billigung gefunden hatte und auch im 
Ausland nicht unfreundlich aufgenommen worden war. Ich hatte in diesem 
Zirkular darauf hingewiesen, daß durch die Vorgänge in China das erfolg- 
reiche deutsche Missionswerk, unser blühender Handel und unsere in 
Schantung im Entstehen begriffenen großen wirtschaftlichen Interessen 
gleichmäßig bedroht wären. Eine militärische Aktion in China werde von 
allen Mächten für notwendig erachtet. Die kaiserliche Regierung werde 
sich in ihrer Politik von der Überzeugung leiten lassen, daß die Aufrecht- 
erhaltung des Einverständnisses unter den Mächten die Vorbedingung für 
die Wiederherstellung des Friedens und der Ordnung in China wäre. Ich 
konnte hierbei darauf hinweisen, daß diese leitenden Gesichtspunkte unserer 
Politik die volle Zustimmung des Bundesratsausschusses für auswärtige 
Angelegenheiten gefunden hätten. 
Inzwischen war Graf Waldersee in Kassel eingetroffen, woihn der Kaiser 
am Bahnhof abholte und eine Rundfahrt durch die, seit sie preußisch ge- 
worden war, herrlich aufblühende alte Hauptstadt der Kurfürsten unter- 
nahm, bei welcher Fahrt der nicht lange vorher so ungnädig beurteilte 
und behandelte Waldersee im Wagen den Ehrenplatz, rechts von Seiner 
Majestät, einnehmen mußte. So hatte einst Kaiser Alexander I. von Ruß- 
land den ihm vor der Begegnung von Erfurt von Napoleon an die russische 
Grenze entgegengesandten Marschall Duroc genötigt, rechts zu sitzen. 
„Car“, fügte der Zar mit dem slawisch-russischen Hang zu artigen Kom- 
plimenten hinzu, „la gloire est toujours ä la premiere place.“ Am nächsten 
Tag überreichte der Kaiser in Kassel dem Grafen Waldersee den Feld- 
marschallstab, worüber mir der in der Begleitung Seiner Majestät befindliche 
Graf Paul Metternich schrieb: „Gestern feierten wir Waldersee im Stadt- 
schloß zu Kassel. S.M. reichte ihm mit einer sehr schönen, kurzen An- 
sprache den Feldmarschallstab, den Waldersee sofort in der richtigen Pose 
der alten Kupferstiche im spitzen Winkel auf den vorgestreckten Ober-
	        
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