Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

KEINE FRANZÖSIN IM DIPLOMATISCHEN PERSONAL 371 
Krieg hineingerieten, die drei wichtigsten Posten, die des Reichskanzlers, 
des Chefs des Großen Generalstabes und des Chefs des Zivilkabinetts, 
von Männern besetzt waren, die, an Charakter, Herz und Geist sehr ver- 
schieden, leider gleichmäßig der Situation nicht gewachsen waren. 
Ende September 1900 erhielt ich nicht ohne Verwunderung eine tele- 
graphische Aufforderung des Kaisers, ihn für einige Tage in seinem Jagd- 
schloß Hubertusstock zu besuchen. Als ich mein Arbeitszimmer verließ und 
die Treppe des Auswärtigen Amtes herunterging, vorbei an den beiden 
Sphinxen, die seit einem halben Jahrhundert und länger, seitdem mein 
Großonkel Christian Günther Bernstorff Minister des Äußeren war, dort 
wachen, trat mir ein junger Diplomat in den Weg. Es war der Legations- 
sekretär von Eckardt, denich während der Palästinareise als einen fleißigen 
und intelligenten Beamten schätzen gelernt hatte. Ich sagte ihm, daß ich in 
großer Eile wäre, da ich in wenigen Minuten am Stettiner Bahnhof sein 
müsse, er möge also jedenfalls im Telegrammstil sprechen, kondensiertesten 
Extrakt. Er erwiderte, daß es sich um sein ganzes Lebensglück handle. Er 
habe sich mit einer jungen Französin verlobt, die er über alles liebe und 
gegen die außer ihrer Nationalität nichts einzuwenden wäre. Seine Majestät 
verweigere ihm den Konsens. Da er unter keinen Umständen von seiner 
Braut lasse, so wäre seine dienstliche Zukunft vernichtet. Ich sagte ihm, 
während ich in den Wagen stieg, daß ich sehen würde, was sich machen ließe. 
In Hubertusstock, dem kleinen, sehr bescheiden eingerichteten Jagd- 
schlößchen in der Schorfheide, das der Kaiser wegen seiner schönen Um- 
gebung, der märkischen Wälder und Seen, besonders liebte, fand ich Seine 
Majestät in besserer Stimmung für mich, als ich nach verschiedenen Frik- 
tionen während des Sommers angenommen hatte. Ich brachte zunächst die 
Rede auf die Heiratswünsche des Legationssekretärs von Eckardt. Der 
Kaiser entgegnete mit Heftigkeit, er würde den Konsens unter keinen Um- 
ständen geben. Er wolle keine Französin in seinem diplomatischen Personal. 
Ich legte dar, daß die Französin im allgemeinen eine gute Gattin wäre, die 
in den Interessen und im Wirkungskreis ihres Mannes aufgehe. Sie pflege 
ihren Mann weniger zu dominieren als die Engländerin, Polin oder Russin. 
Dann fuhr ich fort: „Eure Majestät haben so selten Gelegenheit, einen 
Menschen wirklich glücklich zu machen. Heute bietet sich Ihnen ein solcher 
Anlaß. Wenn Sie den erbetenen Konsens gewähren und ich telegraphiere in 
diesem Sinne an Eckardt, so ist doch ein Mensch heute abend vollkommen 
glücklich. Wie lange sein Glück währen wird, weiß ich nicht. Vielleicht wird 
seine Ehe eine unglückliche. Aber jedenfalls ist er einmal in seinem Leben 
wirklich glücklich gewesen, und das ist ungeheuer viel, denn selbst Goethe 
hat gemeint, daß er in seinem Leben nicht zehn ganz glückliche Stunden 
gehabt hätte. Bismarck hat sich noch pessimistischer ausgedrückt.“ Der 
24° 
Bülow 
beim Kaiser 
in 
Hubertusstock
	        
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