Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

„DER BADENSER HAT MICH VERRATEN! 15 
Oberst von Loewenfeld war ein Offizier nicht nur von großer militärischer 
Tüchtigkeit, auch von hoher Bildung. Er hatte eine englische Mutter und 
war mit Rücksicht darauf, daß er gut Englisch sprach, vom Kaiser einmal 
als sein Vertreter zu einem Jubiläum nach Oxford gesandt worden, der alt- 
berühmten englischen Universitätsstadt. Am Abend seiner Ankunft fand 
ihm zu Ehren ein Diner statt, bei dem er die englischen Gelehrten durch die 
Fülle seiner Kenntnisse in Erstaunen versetzte. Am nächsten Morgen sollte 
eine Fuchsjagd geritten werden, an der eine große Anzahl Professoren in 
rotem Rock und tadellosen „Breeches“ teilnahmen. Einer der englischen 
Professoren zeigte auf das Feld und meinte zu dem deutschen Obersten: 
„So gelehrt wie die Deutschen sind wir nicht, aber Professoren, die hinter 
den Hunden reiten, haben Sie dafür nicht.“ Die Verschiedenheit der beiden 
großen germanischen Völker konnte kaum prägnanter zum Ausdruck 
kommen. Oberst von Loewenfeld liebte es, sich des Potsdam-Berliner 
Offizierjargons zu bedienen, sagte aber in dieser humoristischen Form oft 
treffende Wahrheiten. „Ich könnte Ihnen sagen‘, begann er am 26. Juni 
1897 sein Gespräch mit mir, „was jener alte Räuberhauptmann zu dem 
Stifter unserer Religion sagte, als der zu Worms ins Kreuzverhör genommen 
werden sollte. Was sagte er doch’? Ich glaube, er deutete an, daß die Chose 
für Luthern ziemlich faul stünde. Na, Sie werden ja bald hören, ob Sie ran 
müssen oder nicht. Angenehm ist der Ihnen zugedachte Posten gewiß nicht. 
Die Minister kommen mir mit dem Parlament immer vor wie der Tier- 
bändiger, der in den Käfig zu den Bestien herein soll. Wird er mit den Tieren 
nicht fertig, so schickt man ihn fort. Wird er aber von den Biestern zer- 
rissen, so weint ihm unser allergnädigster Herr, der aus der Loge zusieht, 
auch nicht allzu viele Tränen nach.“ Unsere Unterredung wurde durch den 
Leibjäger Schulz unterbrochen, der mich zu Seiner Majestät rief. In den 
Armen dieses treuen Mannes war Kaiser Friedrich gestorben, in gleicher 
Treue sorgte er um den Sohn und Nachfolger. In der breiten Brust schlug 
ihm ein goldenes Herz. 
Kaiser Wilhelm II. empfing mich auf dem Oberdeck des Schiffes, auf 
dem er allein auf und ab wandelte. Er streckte mir die Hand mit den 
Worten entgegen: „Mein lieber Bernhard, es tut mir leid für Sie und 
noch mehr für die Contessina (so wurde von der Kaiserin Friedrich und 
von ihren Kindern seit jeher meine Frau genannt), aber Sie müssen 
an die Front. Der Badenser hat mich verraten!“ Es folgte nun in raschen, 
sich überstürzenden und übersprudelnden Sätzen eine Darlegung, aus der 
hervorging, daß Marschall hinter dem Rücken Seiner Majestät gegen seinen 
Herrn Intrigen mit Zentrum und Demokratie gesponnen hätte. Was hier- 
bei der letzte Gedanke des bisherigen Staatssekretärs gewesen wäre, seinoch 
nicht ganz klar. Aber gut habe er es mit seinem Herrn gewiß nicht gemeint. 
Oberst (dann 
General) 
von Loewen- 
feld 
Empfang 
beim Kaiser
	        
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