Gratulationen
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sitzungen in die Öffentlichkeit zu gelangen habe. Ich schloß mit der Bitte
um rückhaltloses Vertrauen und um Unterstützung für die Erfüllung meiner
schwierigen Aufgaben sowie mit der Versicherung, daß ich auf Wahrung
des Ansehens und der Würde des Staatsministeriums jederzeit bedacht sein
würde. Im Namen des Staatsministeriums ergriff Vizepräsident Miquel das
Wort und betonte die volle Übereinstimmung mit den von mir hervorge-
hobenen Gesichtspunkten. Er versicherte mich allseitigen vertrauensvollen
Entgegenkommens. Insbesondere stimmte er in vollem Maße und nicht ohne
Emphase dem Gedanken zu, daß etwaige abweichende Meinungen, wie sie
in einzelnen Fragen in jedem Kollegium unvermeidlich wären, nach außen
in keinerlei Form hervortreten dürften. Des hohen Gremiums, dem es nicht
ganz unbekannt war, daß der seinem Vizepräsidenten sehr nahestehende
Expräsident der Seehandlung und Führer der Freikonservativen im Abge-
ordnetenhause, Oktavio Zedlitz, eine starke Neigung zu Intrigen hatte und
daß der Preßhusar von Zedlitz und Miquel, Herr Viktor Schweinburg, ein
übler Stänkerer war, bemächtigte sich bei dieser Versicherung eine gewisse
Heiterkeit, der aber mit Rücksicht auf die Feierlichkeit des Augenblicks
kein lauter Ausdruck gegeben wurde. Unbeirrt schloß Miquel: „Die Be-
schlüsse der Gesamtheit müssen von jedem einzelnen Minister mit gleicher
Bestimmtheit vertreten werden.“
Als ich am nächsten Tage an meinen Diplomatenschreibtisch trat, der
mich von Paris nach Petersburg, von dort über Bukarest und Rom nach
Berlin begleitet hatte, fand ich ihn bedeckt mit Gratulationsschreiben und
beglückwünschenden Telegrammen. Ich kann nicht sagen, daß sie mich sehr
ergriffen. Es war vorauszusehen, daß die deutschen Bundesfürsten, daß der
Kaiser von Österreich und der König von Italien den neuen Kanzler be-
glückwünschen würden. Die Stellung des deutschen Reichskanzlers war
damals eine andere, als sie unter Hermann Müller und Josef Wirth wurde.
Sie war noch von Ansehen, sogar von sehr großem Ansehen umgeben.
Übrigens hatte der Kaiser meine Ernennung den Bundesfürsten selbst an-
gezeigt und deren volle Zustimmung zu der getroffenen Wahl gefunden.
Als Sohn eines Diplomaten und aus meiner eigenen langen diplomatischen
Laufbahn besaß ich auch außerhalb der deutschen Grenzpfähle viele Be-
kannte und Freunde. Goluchowski und Lambsdorff gratulierten mir auf
das wärmste, ebenso mein alter Gönner, der König Carol von Rumänien,
und nicht wenige englische, auch französische Freunde. Wahrhaft gerührt
aber war ich durch einen Brief des Generals Lo&, unter dem ich im glor-
reichen Deutsch-Französischen Kriege gefochten hatte, in dem schönen
Königshusaren-Regiment, an dem ich mit ganzem Herzen hing. Der da-
malige Generaloberst, spätere Generalfeldmarschall Freiherr Walter von
Lo& schrieb mir: „Mein teurer Freund! Von dem Augenblick an, da der