Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Gratulationen 
390 HEITERKEIT IM GREMIUM 
sitzungen in die Öffentlichkeit zu gelangen habe. Ich schloß mit der Bitte 
um rückhaltloses Vertrauen und um Unterstützung für die Erfüllung meiner 
schwierigen Aufgaben sowie mit der Versicherung, daß ich auf Wahrung 
des Ansehens und der Würde des Staatsministeriums jederzeit bedacht sein 
würde. Im Namen des Staatsministeriums ergriff Vizepräsident Miquel das 
Wort und betonte die volle Übereinstimmung mit den von mir hervorge- 
hobenen Gesichtspunkten. Er versicherte mich allseitigen vertrauensvollen 
Entgegenkommens. Insbesondere stimmte er in vollem Maße und nicht ohne 
Emphase dem Gedanken zu, daß etwaige abweichende Meinungen, wie sie 
in einzelnen Fragen in jedem Kollegium unvermeidlich wären, nach außen 
in keinerlei Form hervortreten dürften. Des hohen Gremiums, dem es nicht 
ganz unbekannt war, daß der seinem Vizepräsidenten sehr nahestehende 
Expräsident der Seehandlung und Führer der Freikonservativen im Abge- 
ordnetenhause, Oktavio Zedlitz, eine starke Neigung zu Intrigen hatte und 
daß der Preßhusar von Zedlitz und Miquel, Herr Viktor Schweinburg, ein 
übler Stänkerer war, bemächtigte sich bei dieser Versicherung eine gewisse 
Heiterkeit, der aber mit Rücksicht auf die Feierlichkeit des Augenblicks 
kein lauter Ausdruck gegeben wurde. Unbeirrt schloß Miquel: „Die Be- 
schlüsse der Gesamtheit müssen von jedem einzelnen Minister mit gleicher 
Bestimmtheit vertreten werden.“ 
Als ich am nächsten Tage an meinen Diplomatenschreibtisch trat, der 
mich von Paris nach Petersburg, von dort über Bukarest und Rom nach 
Berlin begleitet hatte, fand ich ihn bedeckt mit Gratulationsschreiben und 
beglückwünschenden Telegrammen. Ich kann nicht sagen, daß sie mich sehr 
ergriffen. Es war vorauszusehen, daß die deutschen Bundesfürsten, daß der 
Kaiser von Österreich und der König von Italien den neuen Kanzler be- 
glückwünschen würden. Die Stellung des deutschen Reichskanzlers war 
damals eine andere, als sie unter Hermann Müller und Josef Wirth wurde. 
Sie war noch von Ansehen, sogar von sehr großem Ansehen umgeben. 
Übrigens hatte der Kaiser meine Ernennung den Bundesfürsten selbst an- 
gezeigt und deren volle Zustimmung zu der getroffenen Wahl gefunden. 
Als Sohn eines Diplomaten und aus meiner eigenen langen diplomatischen 
Laufbahn besaß ich auch außerhalb der deutschen Grenzpfähle viele Be- 
kannte und Freunde. Goluchowski und Lambsdorff gratulierten mir auf 
das wärmste, ebenso mein alter Gönner, der König Carol von Rumänien, 
und nicht wenige englische, auch französische Freunde. Wahrhaft gerührt 
aber war ich durch einen Brief des Generals Lo&, unter dem ich im glor- 
reichen Deutsch-Französischen Kriege gefochten hatte, in dem schönen 
Königshusaren-Regiment, an dem ich mit ganzem Herzen hing. Der da- 
malige Generaloberst, spätere Generalfeldmarschall Freiherr Walter von 
Lo& schrieb mir: „Mein teurer Freund! Von dem Augenblick an, da der
	        
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