Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

18 FRIEDRICH WILHELM IV. ÜBER SICH UND SEINE BRÜDER 
Ecke ein Telegraphenamt!“ Prinz Albrecht erzählte aber auch, es wäre 
ihm von einer Reihe maßgebender englischer Persönlichkeiten gesagt 
worden, daß das Krüger-Telegramm in England einen sehr nachhaltigen 
Eindruck gemacht habe. Vielleicht weniger auf die Minister und den Hof 
als auf die breiten Massen des Volkes und die öffentliche Meinung. Der Riß 
wäre tief gegangen, weil der Engländer in seiner naiven Art, sich selbst 
immer im Rechte zu glauben, nie an eine solche Beurteilung seines Streites 
mit dem Präsidenten der Burenrepublik von deutscher Seite geglaubt hätte. 
Von unserer Seite habe man in England so etwas nun und nimmer erwartet. 
Franzosen und selbst Russen würde der Engländer diesen Affront viel 
weniger übelgenommen haben. Prinz Albrecht war von allen Prinzen des 
königlichen Hauses der größte, ein wahrer Enakssohn. Er erinnerte ältere 
Leute in seiner Figur an Kaiser Nikolaus I., von dem er auch mit Vorliebe 
sprach. Nach jenem Diner auf der „Hohenzollern“ erzählte er mir bei 
einem Vergleich zwischen dem englischen Hofe, den er jetzt wieder besucht 
hatte, und seinem früheren Besuche in St. Petersburg, wie unauslöschlich 
sich ihm Figur und Art des Kaisers Nikolaus I. eingeprägt hätten. Als er, 
damals ein ganz junger Mann, kaum 17 Jahre alt, sich dem Zaren vorgestellt 
habe, hätte dieser ihn zunächst gefragt, ob wirklich preußische Prinzen die 
Universität Bonn besuchen wollten oder gar schon besucht hätten. Es sei 
unerhört, daß man Prinzen, und noch dazu königliche Prinzen, sich un- 
geniert unter Studenten bewegen lasse, die alle von revolutionärem Gifte 
infiziert wären. Über seine eigenen Leute habe sich der Zar so wenig 
Illusionen gemacht, daß er bei einer Parade, als der preußische Prinz seiner 
Bewunderung für die stramme Haltung und den Eifer der sogenannten 
Suitzkis, d. h. der Mitglieder der Maison militaire Ausdruck gab, ihm mit 
seinem harten russischen Akzent erwiderte: „Augendiener! Alles Augen- 
diener!“ 
Prinz Albrecht war ein verständiger Mann, mit einfachem, nüch- 
ternem Verstand, einem gütigen Herzen und von vornehmer Gesinnung. 
Er wurde von der älteren Generation noch „Prinz Albrecht Sohn“ ge- 
nannt, zum Unterschiede von „Prinz Albrecht Vater“, dem jüngsten 
Sohn König Friedrich Wilhelms III. und der schönen Königin Luise. 
König Friedrich Wilhelm IV., der sehr viel Geist hatte und einen glän- 
zenden Witz, aber auch scharfe und selbst ungerechte Witze nicht scheute, 
meinte einmal von sich und seinen Brüdern: „Wären wir vier als Söhne 
eines kleinen Beamten geboren, so würde ich Architekt geworden sein, 
Wilhelm Feldwebel, Karl wäre ins Gefängnis gekommen und Albrecht 
verbummelt.“ Die Bemerkung über Prinz Karl bezog sich auf einen üblen 
Zusammenstoß, den dieser als junger Prinz mit seinem eigenen Jäger ge- 
habt hatte, von dem er bei dessen Frau überrascht worden war. Prinz
	        
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