Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

416 POLITIK DER SICHERUNG 
erworben hätten. Der in manchen Zentrumskreisen herrschende Argwohn, 
daß wir eine „protestantische Weltpolitik“ treiben wollten, wäre mir unver- 
ständlich. Ich hätte in meiner Politik in Ostasien wie in Kleinasien hin- 
reichend gezeigt, daß mir die katholischen Interessen gerade so am Herzen 
lägen wie die evangelischen. Ich triebe weder protestantische noch katho- 
lische, sondern nur deutsche Politik. Offensive Tendenzen lägen uns völlig 
fern, wir wollten keine abenteuerliche und keine phantastische Politik, wir 
wollten uns nur in wirtschaftlicher wie in politischer Beziehung auch ferner- 
bin im Frieden entwickeln. Gegenüber dem Abgeordneten Richter kon- 
statierte ich, daß in Samoa das Verhalten unserer Offiziere korrekt, vor- 
sichtig und zurückhaltend gewesen wäre. Unsere Marineoffiziere wären 
sogar, ungerechterweise, getadelt worden, weil sie nicht früher und schärfer 
eingeschritten wären. Unsere konsularischen Agenten hätten sich streng 
auf dem Boden der damals gültigen Samoa-Akte gehalten. Nichtsdesto- 
weniger seien plötzlich englische und amerikanische Schiffe vor Samoa 
erschienen, sie hätten deutsches Eigentum beschossen und zerstört und die 
Samoa-Akte verletzt. Nur durch Anwendung energischer diplomatischer 
Druckmittel wären die Engländer zu bewegen gewesen, auf den gerechten 
und verständigen Vorschlag der Einsetzung einer gemeinsamen Kom- 
mission der drei Mächte in Samoa einzugehen. Die Art und Weise, wie die 
englische öffentliche Meinung die Samoafrage behandelt hätte, beweise, 
wie prekär unsere Lage gegenüber England bei der jetzt dort herrschenden 
imperialistischen und chauvinistischen Stimmung und Strömung geworden 
wäre. Der Entsendung unserer Flotte nach Manila hätte ich nur beige- 
stimmt, um die dortigen erheblichen wirtschaftlichen deutschen Interessen 
zu schützen. Jede feindliche Tendenz gegen Amerika läge uns völlig fern. 
Aber auch in den Vereinigten Staaten sei seit dem amerikanisch-spanischen 
Kriege die Stimmung von Regierung und Volk so chauvinistisch geworden, 
daß die bloße Anwesenheit deutscher Schiffe genügt habe, eine, von mir 
glücklicherweise wieder beigelegte, Spannung herbeizuführen. Solche Vor- 
fälle zeigten, welchen Gefahren der Friede bei unserer jetzigen Schwäche 
zur See ausgesetzt sei. Gegenüber dem Abgeordneten Bebel führte ich aus, 
daß zwischen der Flottennovelle und meiner friedlichen Politik gegenüber 
England kein Widerspruch bestehe. Beide hätten denselben Zweck, nämlich 
den, die Aufrechterhaltung des Friedens zu sichern. Wir wollten unsere 
Flotte verstärken, weil wir hierin eine Sicherung gegen die Gefahr eines 
englischen Angriffs erblickten: wir verfolgten eine auswärtige Politik, welche 
die englische Empfindlichkeit sorgsam schone, weil wir nicht mit England 
in einen Konflikt geraten wollten. Gegenüber der Kritik, die an dem Kaiser- 
besuch in England, an der Südsee-Abmachung über Samoa und an dem 
deutsch-englischen Ab} über Südafrika als Symptomen übertriebenen
	        
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