Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Hatzfeldt 
an Holstein 
420 FAULE ÄPFEL 
Zunächst müsse sich der Botschafter nach seiner auf langer Erfahrung 
begründeten Überzeugung ganz still verhalten. Vor allem müsse er den 
Eindruck vermeiden, daß wir trotz aller englischen Unfreundlichkeiten 
der englischen Freundschaft nachliefen. So unser Botschafter in London 
vor dem Kaiserbesuch in England. 
Einige Wochen nach jenem Besuch, am 26. Dezember 1899, schrieb Graf 
Hatzfeldt an Baron Holstein: „Wenn Sie mir sagen, daß unsere öffentliche 
Meinung nur Zanzibar akzeptiert, wenn die Engländer die Delagoa-Bai 
nehmen, so bin ich natürlich überzeugt, daß es sich so verhält. Auf der an- 
deren Seite glaube ich — und Eckardstein nahm dies bei unserem letzten 
Zusammentreffen als ausgemacht an —, daß man hier für Zanzibar noch 
lange nicht weich genug ist, weder die Regierung noch auch und namentlich 
die öffentliche Meinung. Der Grund ist sehr einfach. Das Publikum glaubt, 
daß England die Buren unter allen Umständen bewältigen kann, wenn es 
nur ein paar Millionen mehr oder weniger dafür ausgibt und die nötigen 
Verstärkungen schickt. Gegen europäische Verwicklungen und daraus 
resultierende Gefahren hält man sich für vollständig gedeckt, erstens durch 
die übermächtige englische Flotte und zweitens und vor allem, weil weder 
Rußland noch Frankreich sich zu einem aktiven Vorgeben gegen England 
entschließen werden. Wie weit diese letztere Annahme begründet ist, lasse 
ich dahingestellt. Meine persönliche Auffassung, die ich wiederholt aus- 
gesprochen habe, ist, daß die Franzosen allein gewiß nichts unternehmen 
und daß der Kaiser von Rußland auch nicht besonders kampflustig ist. 
Auch glaube ich nicht, daß beide, selbst zusammen, feindselig vorgehen, 
solange sie unserer nicht ganz sicher sind. Unser Beitritt würde die Sachlage 
allerdings mit einem Schlage verändern und könnte England teuer zu 
stehen kommen. Wir werden dabei nur zu überlegen haben, ob es unseren 
politischen Interessen in der Zukunft entspricht, England als Großmacht 
ernstlich zu schwächen. Selbst Fürst Bismarck, mit allen seinen russischen 
Sympathien, war nicht dieser Ansicht, und ich schließe mich dem voll- 
ständig an. Was nun zunächst die Weiterbehandlung der Sache hier betrifft, 
so müssen wir uns, wie ich glaube, darüber klar sein, welchen Zweck wir bei 
unserem Tun und Lassen zu verfolgen haben. Nach meiner Auffassung 
müssen wir den Engländern unter der Hand klarzumachen suchen, daß wir 
ihnen zwar durchaus nicht feindlich gesinnt sind, daß aber auch wir mit 
unserer öffentlichen Meinung zu rechnen haben, die uns mit faulen Äpfeln 
bewerfen würde, wenn wir Delagoa-Bai ohne sehr bedeutende Vorteile 
fahren lassen sollten. Konklusion: Könnt ihr uns solche Vorteile nicht 
bieten, so laßt die Hände davon und sucht ohne Delagoa fertig zu werden, 
sonst bringt ihr uns in die unerwünschte Situation, daß unsere öffentliche 
Meinung uns in ihrer Entrüstung in andere Bahnen drängt. Wenn dieser
	        
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