Prinz
Heinrich
in Ostasien
436 EIN MARGINAL DES KAISERS
Fürst Bismarck vertreten hatten. Wie sie würde auch ich freudig einem
Vertrage zugestimmt haben, der die Verpflichtungen und das Risiko
zwischen den beiden großen Reichen gleichmäßig verteilte. Eine Societas
leonina zugunsten des britischen Löwen konnten und durften wir nicht ein-
gehen. Deshalb mußten wir darauf bestehen, daß ein deutsch-englischer
Vertrag nicht geheim blieb, sondern daß die Parlamente beider Länder
ihre Zustimmung erteilten, schon weil andernfalls die Gefahr vorlag, daß
im Falle eines Krieges England sich seinen Verpflichtungen durch einen
Regierungswechsel entzog. Die zweite Voraussetzung einer für uns annehm-
baren Allianz war, daß, wenn wir eine Garantie für die englischen Be-
sitzungen, insbesondere für einen russischen Angriff gegen Indien, über-
nehmen sollten, England uns für den Fall eines russischen Angrifls auf
Österreich-Ungarn und eines französischen Angriffs auf Italien zu Hilfe
kommen müsse. Andernfalls wurde unser Verhältnis zu Österreich-Ungarn
wie zu Italien ganz in das Belicben von London gestellt, und unsere beiden
Bundesgenossen gerieten völlig in englische Abhängigkeit. Kaiser Wil-
helm II. teilte diesen Standpunkt. Er schrieb noch kurze Zeit vor meinem
Rücktritt, im Februar 1909, ad marginem eines Artikels des Berliner Tage-
blatts über deutsch-englische Allianzverhandlungen in den Jahren 1899
und 1900: „Ich entsinne mich genau, daß das Allianz-Angebot von Cham-
berlain gemacht wurde, als Ich im Frühjahr in Homburg vor der Höhe war,
Metternich war damals bei Mir, zum auswärtigen Dienst kommandiert,
und haben wir die Angelegenheit während eines Ritts auf den Feldberg
besprochen. Wir sollten nach Chamberlains Wunsch die Rolle übernehmen,
die später Japan übernahm, Rußland durch die Waffen von Indien ab-
zuhalten. Die Sache zerschlug sich, als Ich verlangte, es solle ein vom eng-
lischen Ministerrat unterschriebener Allianzvertrag mit uns dem englischen
Parlament vorgelegt und von diesem einstimmig votiert werden.“ Die
Schlußbemerkung dieses Marginals war eine Übertreibung. Wir hatten
natürlich nicht ein einstimmiges Votum des Parlaments verlangt, sondern
nur die Annahme des Vertrages durch das englische Parlament unter Zu-
stimmung der beiden großen Parteien.
Über die Vorgänge in Ostasien wurde ich nach wie vor durch verständige
Briefe des Prinzen Heinrich unterrichtet. Er konnte mir mit Befriedigung
schreiben, daß der ausgezeichnete Direktor des Bremer Norddeutschen
Lloyd, Herr Wiegand, Tsingtau besucht habe und von den dortigen Zu-
ständen „im höchsten Maß“ erbaut gewesen wäre. Wiegand zolle den bis-
herigen Leistungen „volle Anerkennung“. Nach einem Besuch in Japan
hatte mir der Prinz geschrieben: „Sehr gelegen für meinen Aufenthalt in
Japan kam Ihre in einer Ihrer letzten Reichstagsreden gebrauchte Wen-
dung, welche ein Kompliment für die Japaner enthielt. Dergleichen Kom-