EULENBURG GEGEN DIE KAISERIN 451
Eulenburg auf halbem Wege zwischen dem kaiserlichen Jagdschloß und
Neustadt-Eberswalde entgegengekommen, hatte sich zu mir in den Wagen
gesetzt und mir mit ficberhaftem Eifer auseinandergesetzt, die Kaiserin
befinde sich in einer so hochgradigen Erregung, daß ihre baldmög-
lichste Trennung vom Kaiser geboten wäre. In Hubertusstock ange-
kommen, wurde ich von Lucanus beiseitegenommen, der mir aus eigener
Initiative sagte, er hielte es für seine Pflicht, mich auf die Intrigen aufmerk-
sam zu machen, die Philipp Eulenburg gegen die Kaiserin spinne. Er schil-
dere sie als aufgeregt, hysterisch, beinahe geisteskrank. Davon sei gar keine
Rede. Der Kaiserin, die eine zärtliche Mutter sei, werde es nur sehr schwer,
sich von ihren jüngeren Söhnen zu trennen, namentlich von dem zarten und
schwächlichen Joachim. Wenn die Forderung, die Kinder aus dem Hause
zu geben, plötzlich und schroff an sie herantrete, geriete sie zunächst in
große Erregung. Das würde aber auch vielen bürgerlichen Frauen so gehen,
ohne daß sie deshalb eingesperrt würden. „Die Kaiserin ist so vernünftig
wie Sie und ich. Wenn sie aber für längere Zeit gegen ihren Wunsch und
Willen von Mann und Kindern getrennt wird, so ist freilich nicht zu sagen,
wie das auf ihren Gemütszustand einwirken kann.“ Ich versprach Lucanus,
daß ich, soviel an mir wäre, in jeder Richtung bemüht sein würde, die von
mir hochverehrte Kaiserin zu schützen.
Als viele Jahre später, während der Prozesse, die Philipp Eulenburg
zugrunde richten sollten, seine Versuche zur Sprache kamen, die Frau
seines besten Freundes, des Grafen Kuno Moltke, und seine eigene Schwä-
gerin Klara Eulenburg, geborene von Schaeffer-Voit, die spätere Gräfin
Alexander Wartensleben, für geisteskrank erklären zu lassen, stieg die
Erinnerung an sein sonderbares Verhalten gegenüber der Kaiserin Auguste
Viktoria wieder in mir auf. Welche Abgründe birgt die menschliche Natur,
welche Nachtseiten, von denen sich der Blick des physisch und psychisch
Gesunden schaudernd abwendet! Lucanus sah in den Insinuationen des
intimsten Freundes des Kaisers gegen die Gemahlin Seiner Majestät vor
allem den Versuch, den Monarchen ganz und allein in die Hand zu bekom-
men. Er hielt es nicht für ausgeschlossen, daß Eulenburg gleichzeitig
wünschte, den Kaiser zum Spiritismus zu bekehren. Philipp Eulenburg war
ausgesprochener Spiritist. Spiritistische Neigungen und Gedankengänge
haben mir zeitlebens nicht nur ferngelegen, sondern sie waren und sind
mir antipathisch. Wenn mir Eulenburg davon sprach, so suchte er mich vor
allem davon zu überzeugen, daß seine spiritistischen Experimente ihn in
seinem Gottesglauben bestärkt hätten. Was ihm die Geister enthüllten,
beweise ihm die Sicherheit eines zukünftigen Lebens, wäre sein Halt in
diesem Leben, sein Trost im Unglück, das Beste, was er besitze. Ich hatte
ihm immer erwidert, daß ich ihm diesen Trost nicht nehmen wolle, da ich
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Eulenburg
und der
Spiritismus