Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

„LORD BÜLOW" 473 
in einer deutschen Stadt so begeistert empfangen worden wäre wie jetzt 
„Ohm Krüger“ in Köln. Es war die einzige Zeit meiner ministeriellen 
Tätigkeit, wo ich von polizeilicher Seite ernstlich darauf aufmerksam 
gemacht wurde, daß cs zu Attentaten gegen mich kommen könnte, weil ich 
als Feind der Buren gälte. Selbstverständlich machten diese Warnungen 
mir keinen Eindruck. Wurde ich damals von einem Burenschwärmer um- 
gebracht, so starb ich in Erfüllung meiner Pflicht und für das Wohl des 
deutschen Volkes. Also ein anständiger und schöner Tod. In manchen 
Zeitungen wurde ich damals abwechselnd ‚‚Lord Bülow“ und „Viscount 
Bülow‘ genannt. Das sollte blutiger, vernichtender Hohn sein. Unter den 
Zeitungen, die mich mit solchen Wendungen angriffen, befanden sich einige, 
die mir später vorwarfen, ich hätte die Beziehungen zu England eifriger 
pflegen sollen. Bevor ich am 10. Dezember 1900 das Wort ergrill, machte 
der Präsident des Reichstags, Graf Ballestrem, ein verständiger Mann, der 
mir mit aufrichtigem Wohlwollen gegenüberstand, mich daraufaufmerksam, 
daß ich das Haus nicht reizen möge; die große Mehrheit mißbillige durchaus 
meine nach ihrer Ansicht für England viel zu freundliche Politik. Ich ließ 
mich dadurch nicht abhalten, den von mir eingenommenen Standpunkt 
klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen. 
Erschwert wurde mir meine Stellungnahme durch die Depesche, die vor 
meiner Übernahme der auswärtigen Geschäfte anläßlich des Einfalls von 
Jameson in die Südafrikanische Republik der Kaiser an den Präsidenten 
Krüger gerichtet hatte und die ich bereits an anderer Stelle gewürdigt 
habe. Von wem war die Initiative zu diesem Telegramm ausgegangen? 
Marschall hat mir wiederholt versichert, er habe seine Zustimmung nur 
gegeben, weil der Kaiser sonst „noch viel ärgere Dummheiten‘“ gemacht 
hätte. Wunsch und Absicht des Kaisers wäre damals gewesen, den Konflikt 
zwischen der Burenrepublik und der englischen Kapkolonie zu „lokali- 
sieren‘‘. Seiner Majestät hätte 1896 die phantastische Idee vorgeschwebt, 
mit den Buren ein Schutz- und Trutzbündnis abzuschließen und an ihrer 
Seite in Afrika gegen die Engländer zu fechten; in Europa aber habe er mit 
England Frieden halten wollen. Der Kaiser wäre, nach Marschall, damals 
so schr Feuer und Flamme für die Buren gewesen, weil er den Vorstoß von 
Jameson auf seinen Onkel, den Prinzen von Wales, und dessen kapitalisti- 
sche Freunde, Beit und Sir Ernest Cassel, nebenbei gesagt zwei deutsche 
Israeliten, zurückgeführt hätte. Marschall beteuerte mir immer wieder, 
er hätte das Telegramm an Krüger nur durchgelassen, um Schlimmeres zu 
verhüten. Andererseits hat mir Wilhelm II. nach den Novemberereignissen 
von 1908, als er über die Ungerechtigkeit des deutschen Volkes ihm gegen- 
über bewegliche Klage führte, gesagt, daß er zu dem Krüger-Telegramm 
von Marschall, Hohenlohe und dem damaligen Direktor der Kolonial- 
Nochmals die 
Krüger- 
Depesche
	        
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