Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Prinzregent 
Luitpold 
478 DER PRINZREGENT UND DER BERCHTESGADENER 
uns Bayern viel schmeichelhafter.‘“ Bismarck lachte herzlich, dann er- 
widerte er mit seiner feinen, leisen Stimme und mit großem Ernst: „Ich 
kann mir nicht denken, daß ein Minister in verantwortlicher Stellung jemals 
so ungehörige Bemerkungen gemacht haben soll.“ In Wahrheit stammte die 
Äußerung aus der Frankfurter Zeit des Fürsten Bismarck, wo er gegen 
Österreich in hohem Grade erbittert und, in direktem Gegensatz zu später, 
auch auf Bayern nicht besonders gut zu sprechen war. Richtig ist, daß 
zwischen Bayern und Österreich, zwischen München und Wien und nament- 
lich zwischen dem Münchener und dem Wiener Hofe viele Berührungs- 
punkte und eine gewisse Ähnlichkeit bestanden. Wie der Wiener, so 
zeichnete sich auch der Münchener Hof durch eine Verbindung von Natür- 
lichkeit und Vornehmheit, Feierlichkeit und Schlichtheit aus. Bei der 
Hoftafel, zu der ich in München geladen wurde und die, wie in Wien, schon 
nachmittags stattfand, saß der würdige Prinzregent neben seiner Schwester, 
der Herzogin Adelgunde von Modena, die das Volk in München Modelgunde 
nannte. Sie war die letzte souveräne Herrscherin von Modena gewesen. 
Vor dem Palast, den sie noch bewohnt hat, erhebt sich jetzt die Statue von 
Ciro Menotti, den der vorletzte Herzog von Modena auf demselben großen 
Platz aufhängen ließ, wo jetzt das Monument des Märtyrers und Freiheits- 
helden prangt. Die ganze alte Zeit stieg vor mir auf, als ich in München das 
ehrwürdige Paar nebeneinander sitzen sah. Die Herzogin Adelgunde war 
die Schwägerin des Grafen von Chambord, des letzten Sprossen der älteren 
Linie des Hauses Bourbon und letzten Vertreters der Legitimität in Frank- 
reich. Der Prinzregent, der mir zu Ehren den Schwarzen Adlerorden an- 
gelegt hatte, trug diese höchste preußische Auszeichnung in einer Form 
und Fassung, wie man sie in neuerer Zeit kaum noch sah. Er hatte als Bru- 
der der künftigen Königin von Preußen den Orden in ganz jungen Jahren 
von Friedrich Wilhelm III. erhalten. 
Ich bin selten einem Manne in vorgerückten Jahren begegnet, der einen 
so kerngesunden Eindruck machte wie der Prinzregent Luitpold von 
Bayern. Der Prinzregent wußte das, und er hörte gern, daß seine körper- 
liche Frische anerkannt und gerühmt wurde. Seine Umgebung lud ihm im 
Sommer in Berchtesgaden mit Vorliebe Siebzig- und Achtzigjährige, aber 
noch rüstige Bergbewohner ein, damit er sich an der guten körperlichen 
Verfassung seiner Altersgenossen erfreue. Als er wieder einmal einen dieser 
würdigen Greise fragte, wie es ihm ginge, meinte der Alte in der naiven Art 
der Älpler: „Körperlich ginge es ja noch, aber geistig werden wir eben alle 
allmählich alt und gebrechlich.“ „Davon merke ich gar nichts“, meinte 
etwas pikiert der Prinzregent. „I a net“, meinte darauf der treffliche 
Berchtesgadener, „aber die Lait merken’s, die Lait! Dös darfst mir glau- 
ben.“ Er ist nicht wieder zu Seiner Königlichen Hoheit befohlen worden.
	        
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