EULENBURG ZITTERT 499
selbst, vorübergehend, einmal eine verschiedene Auffassung einer Frage
auf, so vermöchte dieses niemals trennend zu wirken. Es liegt mir daran,
Ihnen dieses recht warm zu sagen. Ich hänge mit großer Zähigkeit und
Treue an meinen alten Freunden — vorallen an Ihnen! Mit diesem Weih-
nachtsgruß schließt Ihr alter getreuer Philipp Eulenburg.‘“ Weshalb und
wodurch sich die langjährige, persönliche und politische Freundschaft
zwischen Philipp Eulenburg und Holstein, die beide, jeder in seiner Weise,
den Bruch zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck gefördert
hatten, in bittere Feindschaft verwandelt hat, habe ich nie feststellen
können. Bei der schrullenhaften Unberechenbarkeit von Holstein, der
schwer zu fixierenden, molluskenhaften Zerfiossenheit von Phili wird das
nicht leicht zu ergründen sein.
Die Briefe des letzteren an mich brachten mehr und mehr die Sorge zum
Ausdruck, daß der Kaiser mir meine Erfolge im Reichstag übelnchmen
könne. „Nur ein Wort“, schrieb er mir, „um Dir Glück zu wünschen zu
Deinen Reden, die in Wien einen außerordentlichen Eindruck machen.
Du bist in die erste Stelle der gesamten politischen Welt gerückt.
Das ist mein Eindruck. Aber ich zittere bei dem Eindruck, den mir die
immer schärfere Wendung gegen $. M. macht. Wie diese ganze Reichstags-
sippe glücklich wäre, mit Dir gegen Seine Majestät zu gehen!! Zwischen
allen ihren Worten blitzt es heraus.“ Gleichzeitig teilte er mir mit, daß mein
„treuer Verehrer“ Monts ihm schrieb, in München wäre man überzeugt,
daß der Kaiser mich nicht lange vertragen würde. Ich telegraphierte darauf-
hin an Eulenburg: „Als die Agrarier mir wegen Amerika grollten, fürchtetest
Du die Gefahr von rechts, jetzt scheint sie Dir mehr von links zu kommen.
Solche Stürme bringt das politische Leben nun einmal mit sich. Ich lasse
mich nicht so leicht ins Bockshorn jagen, es gibt gefährlichere Dinge als
politische Anfechtungen, und ich bin wohl und guter Dinge. Sage an
Monts, daß er lieber trachten soll, seine Münchener Freunde zu kalmieren,
anstatt dem seligen Jeremias Konkurrenz zu machen.“ Als mir Eulenburg
bald nachher mitteilte, er glaube zu wissen, daß der Kaiser in Kiel, wo er
einen kurzen Besuch abstatten wolle und wo angesichts der allmählich
stärker werdenden Flotte seine Pulse rascher schlügen, persönlich Stellung
zu der ungerechten Beurteilung seiner im Chinesen-Sommer 1900 ge-
haltenen exzentrischen Rede nehmen würde, telegrapbierte ich ihm: Ich
hätte die Empfindung, daß ich durch mein Auftreten wie vorher im
Bundesrat so jetzt im Reichstag eine verfahrene und schwierige Situation
eingerenkt hätte. Eulenburg selbst habe ja immerfort auf die Gefahr
einer Koalition der deutschen Fürsten und des Deutschen Reichstags
gegen Seine Majestät hingewiesen. Nun möge er bei seinem großen Einfluß
auf den Kaiser dazu beitragen, daß dieser sich ruhig hielte und, wenigstens
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Weitero
Briefe Philis
an Büloıo