XXXIUI KAPITEL
Erkrankung der Königin Victoria - Wilhelm II. führt nach England » Briefe der
Kaiserin Auguste Viktoria an Bülow »- Kaiser Wilhelm bleibt bis zur Beisetzung (21.1.
1901) + Graf Metternich über den kaiserlichen Besuch » Vortrag bei Wilhelm II. in
Homburg (8. 11. 1901) - Vorbereitungen für den Besuch des Königs Eduard bei seiner
Schwester, der Kaiserin Friedrich +» Denkschrift des Staatssckretärs Freiherrn von
Richthofen vom 3. II. 1901 über unser Verhältnis zu England - Verlegung des Schwer-
punktes der deutsch-englischen Verhandlungen nach Berlin » Promemoria des Fürsten
Lichnowsky
m19. Januar1901 wurde ich vom Kaiser in das Berliner Schloß gerufen.
Fahrt Als ich das kaiserliche Arbeitszimmer betrat, fand ich Seine Majestät
des Kaisers in eifrigem Gespräch mit seinem Oheim, dem Herzog von Connaught.
nach England j,, sichtlich erregter Stimmung eröffnete mir der Kaiser, daß er soeben die
Nachricht von einer ernsten Erkrankung seiner Großmutter, der Königin
Victoria, erhalten habe. Er werde sich sofort an das Krankenbett der
Königin begeben. Als ich darauf aufmerksam machte, daß es sich empfehle,
zunächst den weiteren Verlauf der Krankheit abzuwarten, entgegnete der
Kaiser nicht ohne Ungeduld, wo es sich um das Leben seiner teuren Groß-
mutter handle, die er unbedingt noch einmal sehen wolle, müsse jede andere
Erwägung schweigen. Er habe übrigens schon Plätze auf einem der zwischen
Vlissingen und Dover kursierenden Dampfer belegt.
Während sich der Kaiser für einige Minuten entfernte, um weitere An-
ordnungen für seine Expedition nach England zu geben, besprach sein
Onkel mit mir in großer Ruhe und Objektivität diesen neuesten Einfall
Seiner Majestät. Von der ganzen englischen Königsfamilie war außer der
Königin Victoria der Herzog wohl der einzige, der für Kaiser Wilhelm
aufrichtige Freundschaft empfand. Obwohl durch und durch Engländer,
war er wie seine Mutter davon überzeugt, daß friedliche und freundliche
Beziehungen zwischen den beiden großen germanischen Völkern für sie
selbst und für die Welt gleich wünschenswert wären. Er machte mir gegen-
über kein Hehl daraus, daß, wenn die vom Kaiser beabsichtigte Reise
gewiß ein schöner Beweis seiner Herzensgüte wäre, dieser plötzliche Über-
fall der englischen Königsfamilie doch mancherlei Bedenken hervorriefe.
Am Sterbebette der Königin werde der Kaiser „genieren“. Die Royal