NICHT GEGEN RUSSLAND VORSCHIEBEN LASSEN 515
genügend zuverlässigen, jedenfalls von englischen Gedankengängen be-
herrschten und insbesondere von England finanziell abhängigen Eckard-
stein nach Berlin verlegt werden möge. Wenn die englische Regierung
etwas von uns wolle, so möge ihr amtlicher Vertreter in Berlin an uns heran-
treten. Erörterungen von solcher Tragweite könnten unmöglich lediglich
durch die Vermittlung eines jungen Sekretärs gehen, dessen Berichte und
dessen ganzes Verhalten gar zu schr darauf hindeuteten, daß sein Charakter
ebenso fragwürdig wäre wie seine finanzielle Integrität. Auffällig sei die
neuerdings aus allen Eckardsteinschen Telegrammen hervorgehende
Tendenz, uns Angst zu machen vor einem plötzlichen Rückzug der Eng-
länder aus dem nördlichen Ostasien unter Preisgabe aller dortigen bri-
tischen Interessen. Unterstützt durch die britische Flotte, wären die Japaner
augenblicklich den Russen in Ostasien entschieden überlegen. Das Bestre-
ben, uns für englische Zwecke gegen Rußland vorzuschieben, sei bei der
Tientsin-Angelegenheit sehr deutlich zutage getreten. Bei dem Man-
dschurei-Abkommen hätte Lansdowne die Miaotao-Inseln als von Rußland
beansprucht erwähnt, während in dem Telegramm des englischen Gesandten
Satow dieser den Zugang zum Golf von Petschili beherrschenden Insel-
gruppe mit keinem Wort Erwähnung geschehe. Der damalige Dezernent
für England, der seit jeher anglophile Prinz Lichnowsky, der spätere Bot-
schafter in London, faßte seine Ansicht am Schlusse eines Promemorias in
die Worte zusammen: „Angesichts ihrer Lage in Südafrika, des momentan
schwierigen Standes ihrer Finanzen, der Zwangslage, in der wir uns durch
die Entsendung des Grafen Waldersee befinden, der antirussischen Aus-
lassungen und Reden Seiner Majestät in England und der in London genau
bekannten, durch solche kaiserliche Reden hervorgerufenen ungünstigen
Stimmung für uns an der Newa wäre es geradezu naiv, wenn die englischen
Staatsleiter nicht versuchen wollten, uns, ohne sich selbst zu engagieren
oder gar ernstlich zu binden, gegen Rußland vorzuschieben.“