Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DAS SPIEL MIT DER KANALVYORLACE 321 
Ratschlägen künftig besser folgen werde. „Das wird nur gute Folgen haben 
können und die öffentliche Diskussion wesentlich vermindern.“ Über die 
auswärtige Politik schrieb der erfahrene und weise Großherzog, der Kaiser 
habe sich ihm gegenüber mit großer Gereiztheit über die russische Politik 
ausgelassen und den Zaren sehr ungünstig beurteilt. Er, der Großherzog, sei 
überzeugt, daß ein möglichst vertrauensvolles Zusammengehen mit Eng- 
land gewiß geboten sei, wir müßten aber vermeiden, in Abhängigkeit von 
England zu geraten. Über dem Ausbau der Flotte dürfe die Verstärkung 
des Heeres nicht versäumt werden. Gute Beziehungen zum russischen 
Kaiser wären sehr zu wünschen, denn sie stärkten die Möglichkeit, unsere 
eigenen Interessen erfolgreich zu fördern. Deshalb, fügte der liberal ein- 
gestellte Großherzog hinzu, beklage er die ungemeine Schärfe des Kaisers 
gegenüber dem Zaren und Rußland, denn die politische Klugheit dürfe 
nicht übersehen, daß die englische Politik noch mehr als die jeder anderen 
Macht nur und allein das eigene Interesse kenne. Der Großherzog, der es 
bitter empfunden hatte, daß der Kaiser seine Bitte, seinem Sohn, dem 
vortrefflichen und tüchtigen Erbgroßherzog, das vakante Generalkom- 
mando des 14. Armeekorps zu übertragen, noch dazu in verletzender und 
unfreundlicher Form, abgelehnt hatte, schloß mit den Worten: „Inzwischen 
ist mein Sohn schwer erkrankt, und so konnte er die Enttäuschung nicht 
erfahren. Mein Lebensabend ist zu freudloser Arbeit umgestaltet, und die 
treue Pflichterfüllung ist mit Opfern verbunden. Immerhin muß tapfer 
gearbeitet werden, und solange mir Gott die Kraft gnädig gewährt, werde 
ich ihm dienen und mich dem Wohl des Landes widmen. Wiederholt danke 
ich Ihnen für das mich hoch erfreuende Vertrauen, das Sie mir in so freund- 
licher Weise widmen und das mich immer wieder ermutigt, demselben nach 
Kräften zu entsprechen. Ich tue das um so lieber, da ich weiß, wie schwere 
Arbeit auf Ihnen lastet. Bewahren Sie mir auch fortan Ihr Vertrauen und 
bauen Sie dabei auf die treuen Absichten des in Dankbarkeit Ihnen sehr 
ergebenen Friedrich Großherzog von Baden.“ 
Im Mittelpunkt der innerpreußischen Politik stand seit Jahr und Tag 
die Kanalvorlage. Ich habe bei der Besprechung der Kanalkrisis von 1899 
schon darauf hingewiesen, wie gründlich verfahren diese Angelegenheit 
war, in der alle recht und alle unrecht hatten oder umgekehrt niemand ganz 
recht und niemand ganz unrecht. Der Kaiser und die kanalfreundlichen 
Parteien hatten recht, wenn sie im wirtschaftlichen Interesse des Landes 
den Ausbau unseres Kanalnetzes forderten. Die Gegner hatten recht, wenn 
sie Front machten gegen die autokratische Art und Weise, mit der Wil- 
helm II. seine Pläne durchzusetzen suchte. Der Kaiser hatte unrecht, wenn 
er die Angelegenheit in der Art von Friedrich Wilhelm I. betrieb, teils weil 
er weit davon entfernt war, ein Friedrich Wilhelm I. zu sein, teils auch weil 
Schließung 
des 
Preußischen 
Landtags
	        
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