Enthüllung
des Berliner
Bismarck-
Denkmals
Professor
von Harnack
526 DER HASS GEGEN BISMARCK
zu bestärken, banale Höflichkeiten und nichtssagende Phrasen als sachliche
Erfolge und politische Werte einzuschätzen. Wenn ich mich nicht täusche,
hat General Bonnal ebenso wie ein anderer französischer höherer Offizier,
General Lacroix, mit dem der Kaiser bei dessen Kommandierung zu einem
deutschen Manöver gleichfalls Freundschaft schloß, sich verpflichtet ge-
fühlt, als es zum Krieg kam, den Deutschen Kaiser mit besonderer Gehässig-
keit zu beschimpfen und zu verhöhnen. Ich glaube, es war General Bonnal,
der damals schrieb: das größte Glück, das Gott Frankreich bescheren
könne, wäre, wenn Wilhelm II. selbst den Oberbefehl über das deutsche
Heer übernähme.
Auf den 16. Juni 1901 war die Enthüllung des Bismarck-Denkmals in
Berlin angesetzt. Dasinnerliche Verhältnis Wilhelms II. zu dem gewaltigsten
Minister, den Deutschland gesehen hat, ist schwer in wenigen Worten zu
schildern. Der Kaiser haßte Bismarck, konnte sich aber nicht verhehlen,
daß dieser ein großer Mann war. Er wünschte es ihm gleichzutun, wo-
möglich ihn zu übertreffen, merkte aber allmählich, das dies nicht ganz
leicht war, und das erbitterte ihn. Er begriff nie, daß der Genius sich nicht
kopieren läßt. Dann wollte er, was ihm an Genie fehlte, durch die göttliche
Gnade ersetzen, die aber auch nicht zu erzwingen ist, selbst dann nicht,
wenn der Fürst, der sie herabfleht, sich noch so oft als Instrument des
Himmels und Haushalter Gottes proklamiert. Es kamen auch Zeiten,
wo Wilhelm II., dann ganz der Sohn seiner rationalistischen Mutter, meinte,
daß angeborene und nicht unbeträchtliche Begabung, Rührigkeit, englischer
Common sense in der Welt weiter führten als Genialität. Im Notfall sollte
es die Gewalt, Polizei und Heer, schaffen. In seinem Größenwahn wurde
Kaiser Wilhelm II., wie einst der blinde König Georg von Hannover, wie
die Stuarts in England und die Bourbonen in Frankreich, wie Friedrich
Wilhelm II.von Preußen und so manche andere Fürsten, durch schmeichelnde
Höflinge, leider auch hier und da durch charakterlose Gelehrte, wie
Theodor Schiemann und Adolf Harnack, bestärkt.
Während meiner langen Ministerzeit hatte ich in jedem Jahre Gelegen-
heit, in der Universität, in der Akademie und in der Königlichen Bibliothek
Ansprachen des Professors Adolf von (er war aufseine Bitte von Wilhelm II.
in den erblichen Adelsstand erhoben worden) Harnack anzuhören, die an
Byzantinismus alles übertrafen, was sich Beamte oder Militärs bei uns je
geleistet haben. „Zuhöchst richtet sich unser Dank an unsern allergnädigsten
Protektor, König und Herrn!“ rief bei der Zweihundert-Jahrfeier der
Akademie am 20. Mai 1901 Professor Harnack dem Kaiser Wilhelm II. zu.
„ (Man beachte die neue Blume am Strauch der Rosiflora Byzantinissima
Linn., die Wendung, daß ein Dank sich „Zuhöchst“ richtet.) „Königlich
hat er, der Kaiser, unsere Akademie durch Allerhöchst Sein Erscheinen