Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

544 DER KAISER-WILHELM-ORDEN 
annahm, wieich ihn, allerdings unter anderen Verhältnissen, nurnoch einmal 
bei einem leitenden Minister gesehen habe, nämlich beim Fürsten Gort- 
schakow, als sich Bismarck 1878 am Schluß des Berliner Kongresses in 
demonstrativer Weise ohne Rücksicht auf den russischen Kanzler nur mit 
Peter Schuwalow, Beaconsfield und Andrässy beschäftigte. Schließlich 
kam Lambsdorff auf mich zu, um mir in höflichstem Tone, aber mit kaum 
verhehltem Ingrimm zu sagen, mein allergnädigster Souverän hätte ihm 
statt des bisher jedem russischen Minister des Äußern als einzig mögliche 
Dekoration verliehenen Schwarzen Adlerordens eine Dekoration überreicht, 
von der er bisher überhaupt noch nie etwas gehört habe. Um seinen Willen, 
in diesem Fall eine Laune, durchzusetzen, hatte Kaiser Wilhelm nämlich 
dem russischen Minister den vor einiger Zeit von ihm neu gegründeten 
Kaiser-Wilhelm-Orden verliehen, dessen nicht gerade geschmackvolles 
Band selbst bei uns niemand recht haben wollte, schon weil dieser Orden 
sich auf diejenigen abgehenden Minister und verabschiedeten Generäle und 
Admiräle herabzusenken pflegte, die des Schwarzen Adlers nicht würdig 
erachtet wurden. Alsich den Kaiser am nächsten Tage wegen des Quidpro- 
quo interpellierte, behauptete er, Kaiser Nikolaus habe ihm gesagt, er 
würde es „mit besonderem Dank“ aufnehmen, wenn sein Minister des 
Äußern den Orden bekäme, der von seinem teuren Freund und Vetter 
Willy gestiftet und dessen Insignien von diesem Allerhöchstselb t 
worden wären. Ob diese Version dem wirklichen Sachverhalt entsprach, 
erschien mir als unsicher; als sicher dagegen, daß wir uns aus dem einstigen 
Vertrauensmann von Giers, aus dem Beamten, der bei dem Abschluß des 
Rückversicherungsvertrages die Feder führte, einen Feind gemacht hatten. 
Der Philosoph wird es, und mit Recht, bedauerlich finden, daß die Frage, 
ob ein Minister seinen meist nur zu reichlichen Ordensbesitz um diesen oder 
jenen neuen Ordensstern vermehrt, die politischen Beziehungen zwischen 
großen Völkern zu beeinflussen und zu schädigen vermag. Aber leider lehrt 
die Erfahrung, daß persönliche Eitelkeit, Empfindlichkeit und Ranküne 
nicht nur im Privatleben, sondern auch auf politischem Gebiet Unheil 
anrichten können. Nicht immer geht es in der Politik so zu wie in dem be- 
kannten Lustspiel von Scribe, wo ein Glas Wasser über Krieg und Frieden 
und das Schicksal von England und Frankreich entscheidet. Aber die 
politische Entwicklung vollzieht sich auch nicht so, wie sich dies an ihrem 
Schreibtisch weltfremde Doktrinäre einbilden, nur nach „wissenschaft- 
lichen Gesetzen“, sondern von menschlichen Stimmungen und Leiden- 
schaften beeinflußt. 
Was nun äußerliche Ehrenzeichen angeht, so kann solchen wohl niemand 
Parenthese innerlich gleichgültiger gegenüberstehen als ich. Ganz abgesehen von meiner 
über Orden philosophischen Betrachtungsweise auch deshalb, weil ich sie alle besitze:
	        
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