Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

MAX VON BADEN ENTLOBT 549 
die freundschaftlichen Beziehungen zu Rußland aufrechtzuerhalten und zu 
befestigen. Über die Stimmung des Zaren schrieb mir Werder, dieser habe 
im Grunde für Kaiser Wilhelm etwas übrig, wenn ihm auch manches an 
ihm nicht gefalie. Daß Deutschland wirtschaftliche Vorteile in der Türkei 
wünsche, finde er begreiflich; aber die von Kaiser Wilhelm affichierte 
Begeisterung für Hohe Pforte, Koran und Sultan agaziere den Zaren. Er 
äußerte vor Werder: „Je n’aime pas le Sultan, je le c&de a l’Empereur 
d’Allemagne.“ 
Der Botschafter Alvensleben war längere Zeit eifrig bemüht gewesen, 
eine Verbindung der hübschen Tochter des Großfürsten Wladimir, der 
Großfürstin Helene, mit einem deutschen Prinzen zustande zu bringen. 
Der Prinz Friedrich Heinrich von Preußen, der später seinen Namen und 
seinen Rock in trauriger Weise beflecken sollte, zeigte sich abgeneigt, der 
junge Großherzog Wilhelm Ernst von Weimar gefiel in Petersburg nicht. 
Auch fürchtete Alvensleben von letzterer Verbindung eine Förderung 
etwaiger auf Lockerung des Reichsverbands mittels dynastischer Bezie- 
hungen gerichteter russischer Bestrebungen. Die Gefahren einer Verbin- 
dung mit dem Prinzen Louis Napolcon, der ein imponierendes Äußeres 
besitze, ein guter Soldat sei und wohl imstande, einer jungen, liebebedürf- 
tigen Prinzessin zu gefallen, flößte Alvensleben mit Recht noch stärkere 
Befürchtungen ein. Auch eine Verbindung mit dem Grafen von Turin hätte 
für uns ihre Nachteile. Schließlich war es zu einer Verlobung der jungen 
Prinzessin mit dem Prinzen Max von Baden gekommen. Dieser, der in seiner 
äußeren Erscheinung, aber nur hierin, an seinen Urgroßvater, den Kaiser 
Nikolaus I., erinnerte, ließ sich von seiner Mutter, einer russischen Leuch- 
tenberg, zu der von ihr lebhaft gewünschten Verlobung mit der jungen 
Großfürstin Helene bestimmen. Bei näherer Überlegung sagte er sich aber 
doch, daß eine Ehe mit der von Alvensleben nicht nur als jung und hübsch, 
sondern auch als temperamentvoll und liebebedürftig charakterisierten 
Prinzessin kaum sein Fall sein würde, und hob die Verlobung wieder auf. 
Großfürst Wladimir nahm diese Absage mit dem ibm eigenen humoristi- 
schen Phlegma und tröstete seine weinende Tochter mit den Worten: „Ne 
pleure pas, ma cherie, Karlsruhe aurait €te pour toi un enterrement sans 
pompe.‘“ Dagegen war die Großfürstin Wladimir außer sich, und ihre bis- 
herige Anhänglichkeit an ihre deutsche Heimat hat sehr unter diesem 
Zwischenfall gelitten. Die reizende Großfürstin Helene Wladimirowna 
heiratete später einen griechischen Prinzen, der die Eigenschaften besessen 
zu haben scheint, die dem Prinzen Max von Baden fehlten. 
Kurz vor dem Ende des Jahres 1901 wurde das letzte Denkmal in der Wilhelm II. 
Siegesallee enthüllt. Die Siegesallee verdient meines Erachtens nicht und die 
den schlechten Ruf, den sie genießt. Donna Laura Minghetti, die mit Siegesallee
	        
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