Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

556 DER ERBE DER BRITISCHEN KRONE 
Seiner Königlichen Hoheit sehr dankbar sein würde. Ich bäte nur um die 
Erlaubnis, meinerseits ebenso offen antworten zu dürfen. Der Prinz, der 
einen klaren, verständigen, sehr männlichen Eindruck machte, begann mit 
der Hervorhebung der Verdienste, die sich Mr. Chamberlain um England 
erworben hätte. „Ihm ist zu verdanken, wenn in den Kolonien jetzt ein 
loyaler britischer Sinn herrscht. Die Idee eines großen britischen Empire 
ist seinem Kopf entsprungen. Damit muß mein Vater König Eduard 
rechnen, Übrigens hat Mr. Chamberlain mir vor meiner Abreise versichert, 
daß er niemals beabsichtigt hätte, der deutschen Armee und dem deutschen 
Volk zu nahe zu treten.“ Ich erwiderte, daß hinsichtlich der Verdienste eines 
englischen Ministers um England Seine Majestät der König von England 
der einzige zuständige Richter sei. „Aber auch ich“, fuhr ich fort, „bin weit 
davon entfernt, die großen Gaben und Leistungen des englischen Kolonial- 
ministers zu bestreiten, die ich im Gegenteil sehr hochstelle. Ich bezweifle 
auch nicht, daß Mr. Chamberlain Deutschland nicht mit Absicht beleidigt 
hat. Er hat aber den Fehler begangen, nicht etwa das englische Heer und 
englische Kriegsusancen mit dem deutschen Heer und deutschen Kriegs- 
gebräuchen auf eine Stufe zu stellen — das hätten wir nicht übelnehmen 
können —, sondern zu erklären, das, was bisher bei der englischen Krieg- 
führung in Südafrika geschehen sei, auch nicht annähernd an die Vor- 
kommnisse des Krieges von 1870/71 heranreiche. Das habe ich im Hinblick 
auf berechtigtes deutsches Volksempfinden wie auf die Armee, deren Uni- 
form ich seit über dreißig Jahren trage, mit Ernst zurückweisen müssen.“ 
Der Prinz meinte, ich möge nicht vergessen, daß Chamberlain als 
Kolonialminister und für englische Kaufleute gesprochen habe, die nur 
koloniale Dinge verstünden und im Kopf hätten; diesem Milieu wäre sein 
Edinburger Speech angepaßt gewesen. Ich antwortete, daß auch ich mich 
in meiner Redeweise nach dem Milieu richten müsse, in dem ich zu sprechen 
habe: „Wenn ich die Ehre hätte, vor Ihnen, Königliche Hoheit, und vor 
allen übrigen jetzt im Heinrichssaal versammelten Fürstlichkeiten eine 
Rede zu halten, so würde sie anders ausfallen, als wenn ich mich an deutsche 
Landwirte, Rechtsanwälte oder Professoren wendete. Im allgemeinen 
möchte ich meinen, daß Minister, möge es sich nun um Mr. Chamberlain 
oder um mich handeln, überhaupt nicht zu oft und über auswärtige Ver- 
hältnisse möglichst selten reden sollten.‘ Dem stimmte der Prinz mit 
Wärme und mit heiterem Lächeln zu. Als er mir dann mit lebhafter Be- 
friedigung von seinem Berliner Aufenthalt wie von der Herzlichkeit des 
ihm zuteil gewordenen Empfangs sprach, sagte ich ihm, ich hätte nie an 
einer solchen Aufnahme des Erben der britischen Krone gezweifelt. „Ich 
gebe zu‘, sagte ich, „daß es nicht ganz leicht ist, die gegenwärtige deutsche 
Stimmung gegenüber England zu erklären. Man fühlt sich in Deutschland
	        
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