560 EINE DREISSIGJÄHRIGE FREUNDSCHAFT
eingetroffenes Ersatz-Kommando besichtigte. Da meldete sich bei mir der
junge Husar von Bülow mit einem Briefe seines Vaters. In die 1. Eskadron
eingestellt, nahm er mit derselben an allen Schlachten und Gefechten des
Nord-Feldzuges teil. Seines in der Armee berühmten Namens eingedenk,
zeichnete sich der junge Husar in glänzendem Wetteifer mit seinen Kame-
raden namentlich als Patrouillenreiter dergestalt aus, daß ich ihn zu rascher
Beförderung vorschlagen konnte. Am 19. Januar, dem glorreichen Schlacht-
tage von Saint-Quentin, wurde er zum Flahnenjunker, kurze Zeit darauf
zum Offizier ernannt. Bald nach dem Friedensschlusse nahm er seine ur-
sprünglich geplante Laufbahn wieder auf, aber seine Dienstzeit im aktiven
Heere, seine Teilnahme an dem ruhmvollen Feldzuge hat wesentlich dazu
beigetragen, in ihm die angeborene Liebe zur Armee zu steigern. Die für
jeden preußischen Staatsmann unentbehrliche Überzeugung, daß die
Armee der ‚rocher de bronze‘ des Preußischen Staates ist, blieb in ihm
unerschütterlich. Seine ideale Auffassung auf diesem Gebiete, die gemein-
same Erinnerung an den Feldzug war das Band zwischen dem kühn auf-
strebenden jungen Manne und seinem Feldobersten. Es ist zwischen dem
Reichskanzler aufder Höhe seiner Leistungsfähigkeit und dem alten General,
welcher frohen Sinnes auf seine Vergangenheit zurückblickt, unauflöslich
geblieben. Unsere dreißigjährige Freundschaft, welche auf Frankreichs
Schlachtfeldern Wurzel geschlagen, gehört zu den wertvollsten Errungen-
schaften meiner Laufbahn. Dieses unser Verhältnis und unsere nahen
Familienbeziehungen brachten es mit sich, daß ich, nachdem der junge Ofhi-
zier den aktiven Dienst verlassen, seiner Laufbahn ununterbrochen mit
Aufmerksamkeit gefolgt bin. Ich habe den Ernst beobachtet, mit welchem
der junge Mann stets sein hohes Berufsziel im Auge behielt, den eisernen
Fleiß, welchen er während seines Dienstes im Auslande auf die Geschichts-
kenntnis des betreffenden Landes, auf die Sprache und die Gesetze ver-
wandte. Aus der mühevoll erworbenen Fähigkeit, sich überall in die
fremden Verhältnisse und Personen hineinzufinden, hat sich bei ihm eine
seltene Eigenschaft entwickelt, welche ihm über die riesenhaften Schwierig-
keiten seiner hochverantwortlichen Stelle hinweghilft. Ich meine die Un-
parteilichkeit seines Urteils, seine gewinnenden Formen im mündlichen und
schriftlichen, im diplomatischen und politischen Verkehr, die Urbanität
seines Wesens, welche ihm während der heftigsten Kämpfe gegenüber den
leidenschaftlichen Angriffen seiner Gegner die siegreiche Durchführung
seines Wahlspruches: ‚Suaviter in modo, fortiter in re‘ ermöglichte. For-
titer in re! In diesem Teile des Wahlspruches gipfelt das Wesen seiner
Politik, weil er der Grundzug seines Charakters ist. Das Suaviter in modo
ist der wertvolle Rahmen. Ein solcher Charakter steht aber nicht in der
Jugend aus einem Gusse fertig da; er härtet und festigt sich im Kampfes-