Polenfrage
und Parteien
566 DER POLONISMUS
ideeller Beziehung. Ein solches Bekenntnis war nützlich und notwendig in
Deutschland, wo leider seit jeher nicht nur einseitige konfessionelle Ge-
sichtspunkte, sondern noch mehr Parteiinteressen und Parteivorurteile,
jämmerliche Parteistänkereien und last, not least partikularistische Ten-
denzen nationale Erwägungen und die Gebote der Staatsräson überwuchern.
In anderen großen Ländern wäre eine solche Erklärung kaum erforderlich
gewesen. Ich führte weiter aus, daß ich in vielen Fragen liberal dächte,
Aber in nationalen Fragen verstünde ich keinen Spaß. Wir lebten nicht in
Wolkenkuckucksheim, leider auch nicht im Paradies, sondern auf dieser
harten Erde, wo es heiße, Hammer oder Amboß sein. Nachdem ich mich
über die einzelnen von der Regierung für den Osten in Aussicht genom-
menen Verwaltungsmaßregeln eingehend verbreitet hatte, erklärte ich,
daß ich ebenso wie der Abgeordnete Hobrecht, der frühere Finanzminister
unter Bismarck, der vor mir gesprochen hatte, die Ostmarkenfrage nicht
nur für eine der wichtigsten Fragen unserer Politik, sondern geradezu für
diejenige Frage hielte, von deren Entwicklung die nächste Zukunft unseres
Vaterlandes abhinge. Hier gelte das Wort unseres größten Dichters: „Was
du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“
Erschwert wurde mir der von mir verfolgte Kurs in der Ostmarken-
politik, an dem ich bis zum letzten Tage meiner Amtsführung festgehalten
habe, durch unsere unseligen Parteiverhältnisse. Wie mir mein lieber Freund,
der Zentrumsabgeordnete Prinz Franz Arenberg, von Anfang an gesagt
hatte, sahen viele Zentrumsmitglieder innerlich die Notwendigkeit von
Abwehrmaßnahmen gegenüber der frechen polnischen Agitation und die
Unerläßlichkeit eines wirksamen Schutzes der Deutschen im Osten wohl
ein, aber Erwägungen parlamentarischer Taktik hinderten sie, gegen die
polnische Fraktion Stellung zu nehmen. Mein hochverehrter Freund und
Gönner, der Kardinal Kopp, ein scharfer Gegner des Polonismus, dem er
in Oberschlesien mit nicht genug zu rühmender Festigkeit entgegentrat,
sagte mir: „Ich unterstütze Sie, wo ich kann. Aber wie nun einmal der
Deutsche ist, wird das Schlagwort von der Glaubensgemeinschaft zwischen
den deutschen Katholiken und den Polen auf die deutschen Katholiken
immer wieder Eindruck machen, obwohl umgekehrt damit kein polnischer
Hund vom Ofen gelockt wird und obschon eine Polonisierung unserer
östlichen Provinzen nach meiner festen Überzeugung gar nicht den Inter-
essen der katholischen Kirche entspricht.“ Das scharfe Auge des Kardinals
hatte früh die Gefahren erkannt, die dem preußischen Staat und der deut-
schen Sache in Oberschlesien von dem fanatisch antideutschen polnischen
Agitator Korfanty drohten. Er ging schon während meiner Amtszeit gegen
dieses üble Subjekt vor. Es sollte die Zeit kommen, wo sich Korfanty der
Gunst der preußischen Regierung erfreute. Graf Hutten-Czapski, ein Pole,