EULENBURGS INTRIGE GEGEN HOCHBERG 603
nisse hineinleuchten. Es handelt sich um Vorkommnisse, denen ich, durch
die Staatsgeschäfte völlig in Anspruch genommen, fernzubleiben versucht
hatte und deren Zusammenhänge mir erst später ganz klargeworden sind. In
seinen Briefen hatte Eulenburg mich schon seit Jahren auf den wachsenden
Einfluß der Brüder Hülsen bei Seiner Majestät aufmerksam gemacht, was
mir keinen besonderen Eindruck machte, da ich, mit ernsteren Angelegen-
heiten beschäftigt, mich wenig um höfische Vorgänge kümmerte. Als der
ältere der beiden Brüder Hülsen, der spätere Chef des Militärkabinetts,
Graf Dietrich Hülsen, als Militärattach& zur Botschaft in Wien kam,
fand er bei dem Botschafter Eulenburg die allerfreundlichste Aufnahme.
Das verhinderte leider nicht, daß Eulenburg in seinen Briefen an den Kaiser,
teils um Seine Majestät zu amüsieren, vielleicht auch, um einen möglichen
Rivalen rechtzeitig zu ekartieren, sich in mokanten Wendungen über
Hülsen und dessen vortreffliche Frau erging, die allerdings beide mit ihrem
ausgesprochenen Berlinertum nicht ganz in die Wiener Gesellschaft paßten.
Der Kaiser las die Briefe, lachte über sie und bezeichnete sie dann gewohn-
heitsgemäß mit dem Vermerk: „M.K.“, d. h. Militärkabinett. Dort gingen
sie zu den Personalakten des Obersten Grafen von Hülsen-Haeseler. Als
nun Hülsen 1901 zum Chef des Militärkabinetts ernannt worden war,
wurden ihm mit allen anderen geheimen Personalien auch die seinigen vor-
gelegt. Er stieß dabei auf die sarkastischen Schilderungen, die sein vermeint-
licher Freund Eulenburg von ihm und seiner Gattin entworfen hatte, und
wurde seitdem ein erbitterter Feind unseres Botschafters in Wien. Eulen-
burg, der das merkte, wollte Dietrich Hülsen wiedergewinnen und hoffte
dies zu erreichen, indem er dessen Bruder, den Theaterintendanten in
Wiesbaden, Georg Hülsen, als Generalintendanten nach Berlin brachte.
Diesen Posten bekleidete damals Graf Bolko Hochberg, bis dahin ein
Freund von Eulenburg, bei dessen silberner Hochzeit er in einem zahlreichen
Kreise sein Wohl mit bewegten und innigen Worten ausgebracht hatte. Nun
verwandelte sich diese Freundschaft in Feindschaft, was bei der allgemeinen
Achtung, die Hochberg genoß, schon an und für sich Eulenburg nicht er-
wünscht war. Noch bedenklicher war, daß dadurch auch eine völlige
Brouille mit dem Freund des Grafen Hochberg, dem Fürsten Richard
Dohna, eintrat, der seinerzeit Philipp Eulenburg beim Kaiser eingeführt
hatte, jetzt aber erklärte, daß er dessen fortgesetzter' Intrigen müde sei
und das Tafeltuch zwischen ihm und sich zerschneide. Fürst Dohna hat
später sehr zum Sturz und Ruin von Philipp Eulenburg beigetragen.
Wenn ich an jene oft so kleinlichen, noch öfter gehässigen und niedrigen
Intrigen zurückdenke, verstehe ich alles, was große Dichter von Sophokles
bis Shakespeare und tiefe Denker von Larochefoucauld und Montaigne bis
zu Schopenhauer über die gemeinen Triebe des Menschen und über die