Object: Kriegsgeschichte von Bayern unter König Maximilian Joseph I. Zweiter Band. (2)

Von Personen und deren Rechten Uberhaupt. 79 
wärtig gewesene Zeugen16), die Stimme desselben deutlich vemommen haben. 
§. 14. Wenn aus einer Geburt zwei oder mehrere lebendige Kinder zur Welt 
kommen, so haben dieselben in der Regel völlig gleiche Rechte. 
§. 15. Kommt es aber dabei auf besondere Vorrechte der Erstgeburt an, so muß 
der Zeitpunkt, wann die Mutter von dem einen oder dem andern Kinde entbunden 
worden, genau ausgemittelt werden. 
§. 16. Kann diese Ausmittelung mit der erforderlichen Gewißheit nicht geschehen, 
so entscheidet das Loos über die Rechte der Erstgeburt?“). 
§. 17. Geburten ohne menschliche Form und Bildung 7) haben auf Familien- 
Ansicht vom Beschreien der vier Wände (Leg. Alem. Tit. 92; Sachsensp. 1. 33; Magdeburger Weich- 
bild Art. 86) verdrängt. Auch die allgemeine preuß. vorlandrechtliche Gesetzgebung ist darin ganz be- 
stimmt. Das Corp. Jzur. Frid. 1, 4, S. 4 sagt: „Zu dessen Beweis aber ist nicht nöthig, daß sie eben 
einen Laut von sich geben, sondern es ist genug, wenn die Geburt soust ein Zeichen des Lebens von 
sa giebt.“ Ueber den Sinn dieses §. 13 hat das „schon“ eine Meinungsverschiedenheit veranlaßt. Man 
t es von einer Seite wohl so aufgesaßt, daß der Schrei des Kindes das geringste Zeichen sei, wo- 
durch das Leben bewiesen werden konne, unter welchem kein Lebeuszeichen als Beweis mehr statuirt 
sein solle, Uüber welchem aber allerdings noch andere bestehen konnen. Notoski, der Beweis des Le- 
bens eines Kindes (Wittenberg 1851) S. 30. Wenn ich das richtig auffasse, so heißt es: dos Schreien 
des Kindes ist das geringste beensgeichen „, ohne welches kein anderes Lebenszeichen genügt und als 
Beweis angenommen wird; neben welchem aber noch andere Lebenszeichen zur Verstärkung des Be- 
weises dienen. Damit wird aber behauptet, daß nach dem Wortlaute des F. 13 das Schreien das 
einzige Kennzeichen des Lebens sei. Das aber widerspricht der Wortfügung, und das „schon“ wäre be- 
deutungslos; denn wenn das Genügende (das Schreien) zugleich das Ausschließende sein sollie, so könnte 
es auf andere Lebenszeichen, auf stärkere oder unterstützende, dem Gesetzgeber durchaus nicht mehr an- 
ekommen sein. Das „schon“ hat aber, wenn auch andere Lebenszeichen für sich allein, ohne die 
imme, ganz vollgültigen Beweis des Lebens sollen geben können, dennoch seine volle Bedemung. 
Man darf nicht übersehen, daß die Bestimmung sich auf den Fall bezieht, wo das Kind gleich nach der 
Geburt stirbt; denn für länger lebende Kinder ist sie ganz überflüssig. Der kritische Zeitpunkt ist also 
ein solcher, wo die Mutier setos noch Gegenstand der Behandlung ist und man dem Kinde noch nicht 
alle Aufmerksamkeit zuwendet. Schwerlich werden die Anwesenden in dem Augenblicke, wo# das Kind 
von der Mutter getrennt wird, ihre Augen auf den Akt gerichtet haben, um beobachten zu können, ob das 
Kind seine Augen, Glieder bewege, oder es gar befühlen können, um sich von dem Herz- und Pulsschlage 
zn Übergeugen. Fast niemals wird in diesem kritischen Zeitraume der Gegenstand dem Auge überhaupt 
loß gelegt sein. In diesem Zeitadschnitte nun it das Verlauten der Stimme ein höchst wichtiges Zei- 
chen; allein es ist keinesweges ein sicherer, zuverlässiger Beweis, daß das Kind wirklich vollständig 
lebend geboren worden. Denn es kommt, wie die Ersahrung lehrt (Mende, Handd. der gerichtl. Me- 
dicin, Th. III. S. 103 ff.), vor, daß ein Kind schon während der Geburt seine Stimme vernehmen 
läßt. In solchem Falle würde dann, wenn das Kind vor der Vollendung der Geburt umkäme, kein 
lebendiges Kind geboren sein. Hier ist nun das „schon“ von der höchsten Wichtigkeit: es schneidet jeden 
weiteren Streit in dieser Beziehung ab, wenn das Verlauten der Stimme glaubwürdig bezeugt worden 
ist. Dies ist zum Beweise einer lebenden Geburt weniger, als wenn die Zeugen noch andere Lebeus- 
zeichen nach dem Geburtsakte wahrgenommen haben. 
16) Ein anderer Beweis als der Zeugenbeweis über dieses Lebenszeichen ist nicht zulässig; er muß 
vollständig geführt werden, denn es werden unverdächtige, anwesend gewesene Zeugen in der Mehrzahl, 
also wenigstens Zwei, gefordert. 
16 2) (3. A.) Wer hat das Loos zu ziehen? Sollen es die Geschwister selbst thun, so muß wohl 
die Zeit ihrer Handlungssähigkeit abgewartet werden; drängt aber das Verhältniß zu einer früheren Em- 
scheidung, so muß Jedem ein besonderer Kurator zu diesem wichtigen Akte bestellt werden, wiewohl 
dieses Auskunftsminel zur Austragung des reinen Glücksspiels schlecht gesnet ist. Das Passendste wäre 
eine Gemeinschaft, bis eine vertragemäßige Auseinandersetzung beliebt würde. 
17) Das vierte Erforderniß einer wahren menschlichen Geburt ist die menschliche Natur des Ge- 
borenen (Anm. 14). Man schließt dieselbe ans der menschlichen Gestalt. Das wesentliche Kennzeichen 
derselden, die Grenze der Menschengestalt ist hier nicht angegeben. Auch die Röm. Juristen schweigen 
darÜber. Bei einer-anderen Gelegenheit, L. 44 pr. D. de relig. (XI1, 7), wird gesagt: illum roligio- 
%seum esse, ubi, qucod est principale. conditum est, id est caput, cujus imago fl. unde 
cognoscimur. Daher kommt die unter den Juristen allgemein verbreitete Ansicht, daß der mensch- 
liche Kopf dieses Merkzeichen, mithin jede Geburt mit einer anderen Kopfbildung eine Mißgeburt in dem 
im 5. 17 gemeinten Sinne sei, weil ein solches Geschöpf der menschlichen Vernunft unfahig. Glück, 
Kommentar, Th. II, S. 73. Man will also # priori wissen, was kein Mensch einem Neugeborenen 
anzumerken vermag. Angenommen, es konnte von einem menschlichen Weibe ein Wesen mit einem 
  
Der 
Zwillinge. 
Der Miß- 
geburten.
	        
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