DER PROTEST GEGEN RAMPOLLA 621
Beratung der österreichisch-deutschen Bischöfe vor dem Konklave wurden
gegen den Kardinal Serafino Vannutelli auch vom Kardinal Fischer (Köln)
so viele Bedenken geltend gemacht, daß die Mehrzahl der Kandidatur Gotti
trotzdem zustimmte. Bei den Erörterungen über die Kandidatur Rampolla
wurden leider ungerechte und maßlose Anklagen und Urteile über die kirch-
liche Verwaltung und die Politik Leos XIII. vorgebracht, die zwar ernstlich
zurückgewiesen wurden, aber doch das Andenken an den großen Papst
trübten. Das erste Skrutinium fand am 1. August vormittags 10 Uhr statt.
Stimmen erhielten Rampolla 24, Gottil7, Sarto 5, Ser. Vannutelli 4, di
Pietro 2, Oreglia 2, Agliardi und die übrigen je l. Im zweiten Skrutinium,
nachmittags 5 Uhr, erhielten Rampolla 29, Gotti 16, Sarto 10 Stimmen, die
übrigen zersplitterten sich. Nach dieser Abstimmung kam der Kardinal
Agliardi zu dem Unterzeichneten und bezeichnete die Lage als schr ernst.
Unter anderem machte er geltend, daß Rampolla die Tiara festhalte, obwohl
er wohl wisse, daß er nur ein Papst von Loubets und Combes’ Gnaden sein
werde. Zudem sei er ein Todfeind Österreichs und durchaus kein aufrich-
tiger Freund Deutschlands, das er wohl fürchte, aber nicht weniger hasse.
Gotti sei ebenfalls nicht empfehlenswert und durch das Bankhaus Pacelli
kompromittiert. Er empfehle die Kandidatur Sartos, der in jeder Beziehung
Vertrauen verdiene. Ich teilte dieses sofort dem Kardinal Fischer mit, und
wir traten dann mit den österreichischen Kardinälen zusammen, um die
Lage der Dinge zu erörtern. Nach längerer Erwägung kamen wir zu dem
Entschluß, die Kandidatur Gottis als aussichtslos fallenzulassen und Sarto
unsere Stimmen zu geben; nur der Kardinal Vaszari schloß sich aus, der
überhaupt durch seine Sonderbarkeiten sich auffällig machte. Außerdem
wurde dem Kardinal Puscyna anheimgegeben, mit seinem Auftrage, die
Exklusive gegen Rampolla einzureichen, nunmehr vorzugehen. Puscyna
war an diesem Abend noch zweifelhaft. Indes hatte der österreichische Bot-
schafter beim Heiligen Stuhl auf meinen Rat bereits vor dem Beginn des
Konklaves Oreglia mitgeteilt, daß er einen Auftrag seines kaiserlichen
Herrn an das Konklave habe und deshalb um eine Audienz bitte. Da er
aber keine Audienz mehr erhalten würde, riet ich ihm zugleich, dem
Camerlengo schriftlich mitzuteilen, Kardinal Puscyna habe vom Kaiser
Franz Josef den Auftrag erhalten, die Exklusive gegen den Kardinal Ram-
polla einzulegen. Oreglia hatte jedoch bis dahin dem Kardinal-Kollegium
hiervon keine Mitteilung gemacht. Am Morgen des 2. August benachrich-
tigte mich Kardinal Puscyna, er habe seinen Auftrag schriftlich dem Kar-
dinal Oreglia überreicht, dieser weigere sich aber, dem Heiligen Kollegium
davon Kenntnis zu geben. Als wir uns nun zum dritten Skrutinium am
Morgen des 2. August in der Sixtinischen Kapelle versammelten, kam Kar-
dinal Puscyna zu mir und fragte leise: ‚Was sollen wir tun, und was ich ®