„DIE HUNDEBANDE VOM ZENTRUM“ 97
und sehr vieles von der Ausführung und Handbabung abhängt, wieder
Vertrauen fassen kann. Sehr wohl hat mir und vielen auch die gerechte
Würdigung getan, welche Eure Exzellenz in der Rede bei dem Festessen
des Deutschen Landwirtschaftsrates der Haltung der Parteien in der Kanal-
frage, unter denen diejenige der konservativen Partei besondere Schwierig-
keiten bot, haben zuteil werden lassen. Das Meisterstück in der temporären
maßgebenden Erledigung der beiden Vorlagen wird Eurer Exzellenz wohl
so bald niemand nachmachen.“
Mein Verhältnis zu den bürgerlichen Parteien war im großen und ganzen
befriedigend. Keine der bürgerlichen Parteien war ganz zufrieden mit mir,
und das war ein gutes Zeichen. Denn in einem Lande, wo leider der Partei-
geist so sehr den Staatssinn und die Rücksicht auf staatliche Interessen
überwiegt wie in Deutschland, ist es immer bedenklich, wenn eine Partei
an einem Minister gar nichts mehr auszusetzen findet. „Get you home you
fragments!“ ruft in den „Gedanken und Erinnerungen“ mit Shakespeares
Coriolan Fürst Bismarck den von ihm so tief verachteten Fraktionen zu.
Wenn der Kampf gegen die Selbetsucht der Parteien mir als die Pflicht
eines gewissenhaften Ministers erschien, so war ich immer bestrebt, den
Kaiser aus dem Parteigetriebe herauszuhalten und ihn von jedem Angriff
und auch von zu vielem Räsonieren auf die einzelnen Parteien abzuhalten.
Die Krone mußte nach meiner Auffassung über den Parteien stehen, sich
weder für noch gegen sie engagieren. Das war vom Kaiser nicht immer leicht
zu erreichen. Am meisten ärgerte sich Wilhelm II. über jede Opposition der
Konservativen, die ihm ebenso verwerflich erschien, als wenn das erste
Garderegiment rebellieren wollte. Seine besondere Abneigung galt dem
Zentrum. Anläßlich einer belanglosen Debatte im Münchener Landtag
über eine untergeordnete Heeresfrage telegraphierte der Kaiser, wahr-
scheinlich noch erregt durch die von mir kurz vorher durchgesetzte Auf-
hebung des Artikels 2 des Jesuitengesetzes, mir en clair: „Die Hundebande
vom Zentrum ist bestrebt, die Fundamente der Disziplin des Heeres und
damit der Hohenzollernmonarchie zu unterwühlen.‘“ Es handelte sich um
einen ziemlich belanglosen Konflikt zwischen dem bayrischen Kriegs-
minister Asch und dem bayrischen Abgeordneten Pichler wegen eines Ein-
jährig-Freiwilligen, der bestraft worden war, weil er unter Abweichung
vom Dienstweg eine Beschwerde eingereicht hatte.
Wilhelm II. dachte in allen konfessionellen Fragen groß und gerecht.
Jede Abneigung gegen die katholische Kirche und die Katholiken lag ihm
ebenso fern wie aller Antisemitismus. Aber wie er an seine Schwester Sophie,
die damalige Kronprinzessin von Griechenland, als sie zur orthodoxen
Kirche übertrat, ein Schreiben richtete, durch das er sie „für alle Zeiten“
aus seinen Landen „verbannte“, so geriet er auch in ganz großen Zorn, als
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Der Kaiser
und das
Zentrum