DAS DEUTSCHE REICH PROTESTIERT 113
Hohenlohe atmete er wieder auf, denn die Presseangrifte, die seine empfind-
same Seele tief verletzt hatten, flauten allmählich ab. Hohenlohe behandelte
Holstein mit der immer gleichen, vornehmen Höflichkeit, die iım eigen
war, hatte aber nicht entfernt das Vertrauen zu ihm, mit dem Fürst Bis-
marck den Geheimen Rat von Holstein ausgezeichnet hatte. Als ich Staats-
sekretär wurde, hatte Hohenlohe mich vor Holstein gewarnt mit den Wor-
ten: „Alle bedenklichen und schlechten Ratschläge kommen meist von
Holstein.“ Im direkten Gegensatz hierzu hatte Fürst Bismarck zu meinem
Vater, der eine abfällige Äußerung über Holstein gemacht hatte, zwanzig
Jahre früher nachdenklich geäußert: „Er ist aber doch sehr fein. Ich ver-
danke ihm manche nützliche Warnung, manchen klugen Gedanken, auch
manchen guten Ratschlag.“
Ich kehre zu der Marokko-Differenz zurück. Am Tage, wo der Kaiser in
Tanger landete, hatte Delcasse in der französischen Kammer keinen Zweifel
darüber gelassen, daß er sich auf dem von ihm betretenen Wege durch
deutschen Widerspruch nicht irremachen lassen würde. Man kann darüber
streiten und stritt schon im April 1905 darüber, ob es ratsam war, den
Kaiser in Tanger in den Vordergrund treten zu lassen. Nachdem dies einmal
geschehen war, mußten wir durchhalten. Am 11. und 12. April richtete ich
Erlasse an unsere Vertretungen in London, Petersburg, Wien und bei einer
Reihe anderer Regierungen, in denen ich ausführte, daß die kaiserliche
Regierung ein Recht Frankreichs, Englands und Spaniens auf eine selb-
ständige Ordnung der marokkanischen Angelegenheit nicht anerkennen
könne und die Mitwirkung der acht Staaten fordere, die den Madrider
Vertrag von 1880 unterzeichnet hatten. Ich wies die französische Behaup-
tung, die Madrider Akte habe nur die Regelung der Privatrechte der fremden
Untertanen in Marokko bezweckt, als rabulistisch zurück und rückte noch-
mals die völkerrechtliche Bedeutung des Vertrages in den Vordergrund.
Deutsche Rechte könnten nicht von anderen Mächten an irgend jemanden,
auch nicht von England an Frankreich abgetreten werden. In dem an den
kaiserlichen Botschafter in London gerichteten Erlaß schrieb ich: wir
träten für unsere Interessen ein, über die ohne unsere Zustimmung verfügt
werden solle. Die Bedeutung der Interessen wäre dabei nebensächlich. Der-
jenige, dem Geld aus der Tasche genommen werden soll, werde sich immer
nach Möglichkeit wehren, einerlei ob es sich um fünf oder um fünftausend
Mark handle. Wenn wir unsere nicht unerheblichen wirtschaftlichen Inter-
essen in Marokko stillschweigend preisgäben, würden wir damit andere zu
ähnlichen Rücksichtslosigkeiten gegen uns ermuntern, und das vielleicht bei
öß lel htigeren Fragen. Ich entsandteden GrafenTattenbach,
bis dahin Gesandten in Lissabon, in besonderer Mission nach F ez, um den
Sultan in der Zurückweisung der vertragswidrigen französischen Ansprüche
8 Bülow II
Sendung
Tattenbachs
nach Fez