Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

BÜLOWS ABSCHIEDSGESUCH 145 
stürmischen Umwerbung des Deutschen Kaisers eine höfliche, aber be- 
stimmte Ablehnung entgegenzusetzen. Er schickte sogar seinen Minister 
des Äußern, den Grafen Raben, nach London, um dort die Versicherung 
abzugeben, daß Dänemark sich unter allen Umständen der striktesten 
Neutralität befleißigen würde. Graf Raben, mit dem mich alte Beziehungen 
und eine entfernte Verwandtschaft verbanden, erzählte mir später, der 
König Christian sei zu dieser Entsendung auch durch einen Brief seiner 
Tochter, der Königin Alexandra von England, bewogen worden, die bei 
ihm „ganz entsetzt‘ angefragt habe, ob er England „verraten“ wolle. Die 
englische Presse verbreitete die Nachricht, daß der Deutsche Kaiser nicht 
nur die norwegische Krone für einen Prinzen seines Hauses erstrebe, 
sondern auch Dänemark zwingen wolle, die Ostsee allen Schiffen außer 
denen der baltischen Nationen zu verschließen. Gleichzeitig wurde der 
bevorstehende Besuch eines englischen Geschwaders in der Ostsee 
angekündigt. 
Dies war in großen Umrissen die Lage, als Kaiser Wilhelm II. im Schloß 
Wilhelmshöhe, wohin er sich nach seiner Rückkehr von seiner Ostseefahrt 
begeben hatte, mein Abschiedsgesuch erbielt. Seine Antwort war der nach- 
stehende Brief: „Mein lieber Bülow, Ihren Brief per Boten eben erhalten. 
Ich bin nach reiflicher Erwägung völlig außerstande, zu sehen, daß die 
Lage für uns durch ‚en Europe‘ eine so ernstere oder gefährlichere gegen die 
bisherige geworden sei, daß Sie Veranlassung haben, Mir Ihre Entlassung 
anzubieten. Sie haben von Mir mitgeteilt erhalten zwei Tatsachen, die 
allein schon einen so enormen Fortschritt bedeuten gegen früher, daß sie 
für uns hoch eingeschätzt werden müssen: 1. daß S.M. der Kaiser Mir 
feierlich erklärte, daß für Rußland die Elsaß-Lothringen-Frage un incident 
clos sei, 2. daß er Mir in die Hand versprochen hat, niemals mit England 
gegen uns eine Verabredung oder Bündnis einzugehen. Wenn es Bismarck 
gelungen wäre, einen dieser beiden Punkte von Alexander II. oder III. zu 
erreichen, so wäre er außer sich vor Freude gewesen und hätte sich von 
allem Volk feiern lassen, als ob er einen großen Erfolg errungen hätte. Das 
sind zwei so schwerwiegende Tatsachen, daß Ich glaube, diese allein be- 
deuten für unser Vaterland eine festere Sicherung als alle Verträge und 
sonstigen Rückversicherungen. Aus Meinem Privatbriefe werden Sie er- 
sehen haben, wie hochernst, ja wie heilig Mir das Wohl Meines Landes war, 
wie ich überzeugt war, daß Ich Ihnen eine große Erleichterung Ihrer 
schweren Aufgaben zu bringen imstande war — wovon Ich auch jetzt 
überzeugt bin — und daß Ich vor allem stets vor Augen hatte, Ihnen vor- 
zuarbeiten und Ihnen zu helfen. Denken Sie an Ihre Abschiedsworte an 
Mich in Saßnitz: ‚O wenn es doch möglich wäre, daß Sie mit dem Zaren 
zusammentreffen könnten, ich würde mich unendlich freuen, es wäre für 
10 Bülow II 
Antwort des 
Kaisers
	        
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