BÜLOWS ANTWORT 149
Moltke überbracht, der mir erzählte, daß der Kaiser durch mein Abschieds-
gesuch völlig aus der Fassung gebracht worden sei. Er fürchte jetzt nicht
nur ein Abspringen von Rußland, sondern auch einen englischen Angriff.
General Moltke gab mir eine bewegliche Schilderung von der anfänglichen
Erregung des Kaisers, der bald tiefe Niedergeschlagenheit gefolgt wäre,
auch von seiner körperlichen Ermüdung, die „durch das ewige Hinundher-
flitzen“‘ hervorgerufen, durch die Augustlitze noch gesteigert worden
wäre. Er säße vor seinem Schreibtisch mit unglücklichem Ausdruck,
Schweißtropfen perlten von seiner Stirn, er sei sehr blaß. Moltke bat mich
dringend, dem Kaiser so bald und vor allem so herzlich als irgend möglich
zu schreiben, um ihn zu beruhigen. Andernfalls wäre ein „totalerZusammen-
bruch‘“ zu befürchten.
Ich schrieb sogleich und nicht nur mit dem Kopf, sondern mit dem
Herzen. Ich schrieb, daß mich seine Worte tief erschüttert hätten. Ihm
Sorge und Unruhe bereitet zu haben, sei mir schmerzlich. Ich würde ja
mein Leben geben, um für meinen König und Kaiser alles günstig zu
gestalten, aus seinem Wege Steine fortzuräumen, ihm die Erreichung der
großen Ziele zu ermöglichen, die er für das Wohl des Vaterlandes so
eifrig anstrebe. Wirkliche Erfolge des Kaisers erweckten bei mir nicht
Eifersucht, sondern machten mich stolz. Ich wäre auch nicht undankbar
und hätte immer die große Güte vor Augen, die er mir seit vielen Jahren
gezeigt habe, die vielen Auszeichnungen, mit denen er mich überhäuft
hätte. Ich wäre ja der kleinlichste aller Menschen, wenn dem König und
Kaiser gegenüber Regungen jämmerlicher Rechthaberei oder Eitelkeit in
mir aufsteigen könnten. Aber gerade die mir so vielfach erwiesene Güte
verpflichte mich gegenüber Seiner Majestät zu voller Offenheit, auch dann,
wenn es mir schwer würde. Gerade weilich den Kaiser nicht nur als meinen
König und Herrn, als den Träger der nationalen Idee, sondern auch als den
hochbegabten, an Geist und Charakter hochragenden Menschen liebte,
müsse ich offen und wahr sein. Ich würde das Vertrauen Seiner Majestät
nicht verdienen, wenn ich nicht den Mut und die Ehrlichkeit hätte, immer,
in allen Lagen und cofite que cofite so zu handeln, wie ich es vor meinem
Gewissen für recht bielte. Ich hätte nicht aus alberner Empfindlichkeit
oder aus Arroganz auf drohende Nachteile und Gefahren hingewiesen,
sondern weil mich mein Gewissen dazu getrieben hätte. Wenn ich gebeten
hätte, die auswärtigen Geschäfte anderen Händen anzuvertrauen, so wäre
dies in dem Gefühl geschehen, daß ein anderer die Situation anders und
vielleicht richtiger als ich beurteilen und unter den gegebenen Umständen
den Intentionen Seiner Majestät besser entsprechen würde. Wolle der
Kaiser mich behalten, auch nachdem ich meine Bedenken und Sorgen
offen dargelegt hätte, so würde mein Streben darauf gerichtet sein, das