172 DAS FATALE AUTO
eintreten lassen und die Bilder Monaco, Bourgeois, Rouvier, Zaren-
begegnung usw. Revue passieren lassen. Von all diesen Bildern scheint mir
die Gegnerschaft zwischen Onkel Bertie und Neffe Willy am wahrsten
hervorzutreten, und sie scheint schr beachtenswert, weil die stärkste Trieb-
feder aller Handlungen — also auch der Politik — immer persönliche Leiden-
schaft sein wird. In manchen Naturen wirkt der Neid, in anderen die Rache
als stärkste Triebfeder. Bei Onkel Bertie wohl beides, denn die sittliche
Entrüstung des Neffen über den ‚spielenden Onkel‘ wird dieser wohl niemals
vergessen haben. Auch will er jetzt, an der Spitze des gewaltigen England,
mehr gehört werden als der Neffe. Früher waren es die Weiber, jetzt ist die
Politik sein Sport, und da er sein Leben lang nur Sport getrieben hat, wird
die Mischung von Sport und persönlicher Leidenschaft von seinen Feinden
zu fürchten sein. Der bevorstehende Besuch Wittes interessiert mich
sehr. Ich werde Dir den Besuch schildern, fürchte aber, daß S. M.
wieder einmal zu offen sein wird — was sich schließlich meiner Kon-
trolle entzieht.“
Zwei Tage später schrieb mir Eulenburg unter dem 26. September 1905:
„Witte traf heute Mittwoch %1 Uhr auf der Station ein. Ich holte ihn in
einem geschlossenen Automobil ab und mußte mich bei dem Gebrause des
fatalen Vehikels anstrengen, den leise sprechenden Mann zu verstehen.
Wir kamen bald in medias res, es freute mich, zu konstatieren, wie genau er
mit seinen Gedanken unsere Wege wandelt. Er fühlt sich in der Tat soli-
darisch mit unseren Interessen — aber was nützt es, wenn Kaiser Nikolaus
ihn nicht an die Spitze stellt? Um 1 Uhr trafen wir am Jagdhaus ein.
Der Kaiser empfing Witte, vor der Tür promenierend. Er geleitete ihn mit
August Eulenburg in sein Zimmer. Um 142 Diner. Witte rechts von der
Kaiserin. Die Unterhaltung über amerikanische Gewohnheiten war
fließend, aber nicht übermäßig lebhaft. Nach dem Essen ging es besser.
Der Kaiser, Witte und ich harmlos plaudernd und lachend. Dann empfahl
sich die Kaiserin. Um 153 wanderte der Kaiser mit Witte in sein Zimmer
hinauf, und ich höre jetzt — %5 Uhr — in meinem Zimmer daneben bald
lebhafter, bald schwächer die tönenden Laute der Unterhaltung. Um %45
wurde der Pirschwagen gemeldet, und nach einem Gespräch von 2%, Stun-
den trat der Kaiser mit Witte aus dem Zimmer. Der Kaiser sagte mir leise:
‚Es war großartig‘, und ich begleitete Witte in sein Zimmer. Er stand ganz
unter dem Zauber der Persönlichkeit des Kaisers und sagte mir — so be-
wegt, als er es überhaupt sein konnte: ‚Björkö est le plus grand soulagement
de ma vie! — le seul moyen d’arriver ä une politique stable.‘ (S. M. hatte
ihm gesagt, daß ich orientiert sei.) Es knüpfte sich natürlich an diese Be-
merkung ein Gespräch über die Wirkung und die Art der Behandlung der
Angelegenheit. Ich betonte öfters, daß die absolute Verschwiegenheit