Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

196 DIE ANGST DER FRANZÖSISCHEN SCHWIEGERMÜTTER 
Kreuzerdivision, 4. Mittelmeerflotte, 8 Linienschiffe und eine Kreuzer- 
division. Dieser Termin (Februar) ist Mir auch von anderer Seite bestätigt 
worden, durch den Oberhofmeister Ihrer Majestät, Mirbach, der jetzt einen 
Monat mit seiner belgischen Frau in Belgien zubrachte. Zu dem sind über 
ein Dutzend in Tränen aufgelöste Schwiegermütter französischer Reserve- 
offiziere aus den Verwandten- und Bekanntenkreisen seiner Frau gekom- 
men, um zu hören, ob er es wüßte, ob es wahr sei, daß in zwei Monaten der 
Krieg ausbreche. Als er sich darüber totlachte, wurden die Damen ganz 
ärgerlich und erzählten ihm, daß sie von ihren Schwiegersöhnen die Mit- 
teilungen erhalten hätten, letztere seien alle angewiesen, sich bereit zu 
halten, zum Februar einzurücken, da Deutschland dann den Krieg erklären 
werde. Sie hätten auch alle ihre Testamente geschrieben! Mirbach hat die 
Damen dann ernstlich vermahnt, nicht solchen Blech zu glauben, und sie 
ermächtigt, nach Paris zu schreiben, das sei alles Unsinn und Lüge. Das 
haben die Drachen aufatmend umgehend getan. Daß ferner nur die Zu- 
sammenwirkung mit Frankreich in der Marokko-Frage in London zum 
Kriege führt, sonst aber ohnedem, weil dann Frankreich nicht direkt 
beteiligt, England nicht mit uns Krieg haben will, der großen Kreisen des 
Volkes unsympathisch ist. Daß H.M. E. VII. auch friedlicher geworden ist 
und keinen Krieg an sich mehr will. Daß Herr Beit eine Rekognoszierung 
hierber über Paris unternommen hat, um zu dementieren und orientiert zu 
werden. Daß er wohl nach allen Seiten hin beruhigend und kalmierend 
wirken wird. Daß Mr. Saunders ein Erzschweinehund erster Klasse ist! 
Daß — was das Allerwichtigste ist — tatsächlich England an Frank- 
reich ein Angebot mit Waffenunterstützung gemacht hat — 
Herr Beit hat das ohne Umschweife zugegeben, nur etwas eingeschränkt — 
und auch jetzt noch die Unterstützung aufrechterhält! Also hat Lans- 
downe Metternich angelogen, was wir ja gleich vorausgesetzt hatten, des- 
wegen konnte er auch nicht Dementi erlassen. Daß die Berichte unserer 
Herren in Paris richtig und ihre Beobachtungen genau und korrekt sind, 
i.e. daß die Gallier keine Angst mehr vor uns haben wie im Frühjahr, geht 
außerdem noch aus ihrer gesamten Militärliteratur hervor. Aus einer wei- 
teren Andeutung Beits nehme ich an, daß die nächste konservative Re- 
gierung unter Chamberlains Ägide die Schutzzollpolitik einführen wird, für 
die Herr Beit auch sehr eingenommen zu sein scheint. Mit besten Grüßen 
Ihr Wilhelm I. R.“
	        
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