GROLL GEGEN CUMBERLAND 249
Dragonern, geachtet und beliebt, sondern auch in Berliner gelehrten und
gebildeten Kreisen, vor allem in den Kreisen der Geistlichen. Er wurde, als
geine Verirrungen ans Tageslicht kamen, aus der Armee ausgestoßen, der
Hof wurde ihm verboten und ihm der Schwarze Adlerordeu entzogen,
den er wie alle preußischen Prinzen mit zehn Jahren erhalten hatte. Als
der Weltkrieg ausbrach, bat der Prinz um Wiederanstellung in der Armee.
Er erhielt die Erlaubnis, als Gemeiner wieder einzutreten. Er wurde, ob-
wohl er sich vor dem Feinde brav hielt, nicht befördert. Er faßte seinen
Dienst so ernst auf, daß, wenn sein ehemaliger Bursche vorbeikam, der es
im Gegensatz zu seinem Herrn im Felde zum Gefreiten brachte, er vor ihm
stramm stand. Man kann dem alten Regime nicht abstreiten, daß es sitt-
lichen Verfehlungen mit berechtigter Strenge entgegentrat.
In der braunschweigischen Frage hat Wilhelm II., den Philipp Eulen-
burg nicht ohne Grund Wilhelm-Proteus zu nennen pflegte, viele Wand-
lungen durchgemacht. Bevor die Verfehlungen des Prinzen Friedrich Hein-
rich bekannt wurden, wünschte der Kaiser dessen Sukzession. Dann dachte
er daran, für seinen eigenen Sohn, den Prinzen Eitel Friedrich in Braun-
schweig eine hohenzollernsche Sekundogenitur zu errichten. Vorübergebend
kam ihm auch der Gedanke, Braunschweig zu annektieren und mit der
Provinz Hannover zu vereinen. Schließlich hat Wilbelm II. bekanntlich
seine einzige Tochter mit dem Prinzen Ernst August von Cumberland ver-
mählt und dann das junge Paar auf den Thron Heinrichs des Löwen gesetzt.
Die Heirat der Kaisertochter war das Siegel auf die Aussöhnung der Hohen-
zollern mit den Welfen, die schon den Hohenstaufen eine hartnäckige
Opposition gemacht hatten. 1906 war man von einer solchen Aussöhnung
noch weit entfernt. Damals zürnte der Kaiser dem Herzog von Cumberland
nicht nur, weil dieser dauernd an seinen Ansprüchen auf Hannover fest-
hielt, sondern auch weil er den Wunsch des Kaisers und noch mehr der
Kaiserin, die Hand zur Verbindung einer seiner Töchter mit dem Kron-
prinzen von Preußen zu bieten, nicht ohne Unfreundlichkeit abgelehnt
hatte. Darüber schrieb mir Philipp Eulenburg, der sich wieder in der Um-
gebung Seiner Majestät befand: „Die braunschweigische Frage hat, wie Du
ja spürtest, einigermaßen aufgeregt, und die Heftigkeit, mit der gegen den
Herzog von Cumberland getobt wurde, erklärst Du Dir leicht aus der Ver-
geblichkeit des aus kaiserlicher Initiative zurückgezahlten Welfenfonds und
der Brautbewerbungsabsage. Doch dauerte die Aufregung nur kurze Zeit,
da die ungeschickte Passivität des unglücklich veranlagten Herzogs voll
befriedigte. Als gestern das Schreiben des Herzogs an den Kaiser anlangte,
in dem dieser Seiner Majestät mitteilt, daß er und sein ältester Sohn Prinz
Georg Wilhelm ihre Rechte auf die Regierung im Herzogtum auf den
jüngsten Sohn des Herzogs, den Prinzen Ernst August, übertragen hätten,