490 KÖNIG ALBERT UND BISMARCK
der Niederlage von Königgrätz, wo die Sachsen sich glänzend geschlagen
hatten, die österreichische Armee nicht gänzlich aufgerieben wurde. Der
große Anteil, den er als Kommandeur der Maasarmee an dem Siege von
Sedan, dem stolzesten Siege der ganzen deutschen Geschichte, gehabt hat,
war jedermann bekannt. Die Eigenschaften, die den Feldherrn Albert von
Sachsen auszeichneten: unerschütterliche Ruhe, Klarheit, Festigkeit,
Geistesgegenwart, machten aus ihm auch einen hervorragenden Staats-
mann. Das war von Fürst Bismarck erkannt und anerkannt worden, den
mit dem Sachsenkönig langjährige, auf beiden Seiten aufrichtige Freund-
schaft verband. König Albert hat mir viel und interessant über Bismarck
gesprochen. Ich entsinne mich, daß er mir einmal von dem Versöhnungs-
diner erzählte, das im Herbst 1866 in Berlin nach wiederhergestelltem
Frieden zwischen Preußen und Sachsen im königlichen Schloß stattfand.
Oben an der langen Tafel saßen der alte König Wilhelm und der alte König
Johann. Sie waren Verwandte, sie waren Altersgenossen. Viele Jahre ihres
Lebens hatten sie in ungetrübter Freundschaft nebeneinander gestanden.
Dann riß sie 1866 die Politik und das Genie von Bismarck auseinander, und
nun fanden sie sich wieder, der König von Preußen als Sieger, der Sachsen-
könig als Besiegter. In wahrer, echter Herzensgüte, mit dem ihm eigenen
Takt war König Wilhelm bemüht, dem König Johann den Übergang in die
neuen Verhältnisse zu erleichtern, begreifliche Bitterkeit zu verscheuchen,
ihm zu zeigen, daß sein, des Königs Wilhelm Herz noch ebenso warm und
aufrichtig für ihn schlage wie früher. Am anderen Ende der Tafel saßen der
preußische Ministerpräsident Graf Bismarck und der sächsische Minister-
präsident Freiherr von Friesen nebeneinander. Da sagte mit einem nach-
denklichen Blick auf die beiden Monarchen Bismarck zu seinem sächsischen
Kollegen: „Sie haben es gut! Sie haben es mit einem hochgebildeten, sogar
mit einem gelehrten Fürsten zu tun, der den Dante metrisch übersetzt hat,
der sich den Beinamen Philaletes zulegte, der Kunst und Wissenschaft
hochhält. Nun sehen Sie sich aber einmal den alten Infanterieoberst an,
mit dem ich zu tun habe.‘ Nachdem er mir dies erzählt hatte, fuhr König
Albert, es war mehrere Jahre nach dem Sturz des Fürsten Bismarck, mit
ernstem Gesicht fort: „Und doch war Bismarck der größte Diener, den das
Haus Hohenzollern jemals gehabt hat, einer der größten Staatsmänner, die
je einen Souverän beraten haben! Und weil er dies erkannt hat, weil er sich
niemals an diesem Bismarck hat irremachen lassen, weder durch dessen
Boutaden noch durch dessen Eigenwilligkeit und Rücksichtslosigkeit noch
durch den schr, sehr diffizilen Charakter des ersten Reichskanzlers, weil
er über das alles wegsah im Interesse der Staatsräson, für den Staat, für
Preußen und für das Reich, darum war Wilhelm I. ein großer, ein sehr
großer Herrscher. In der Geschichte wird unser alter Kaiser als ein Großer