Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

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Sachsen, nach dem Umsturz erst Priester wurde und dann als Pater Georg 
von Sachsen Mitglied der Gesellschaft Jesu. 
Die Debatten, zu denen im Preußischen Abgeordnetenhaus die 
Aufhebung des $2 des Jesuitengesetzes führte, gewährten mir reichlich Ge- 
legenheit, mich von der Unzuverlässigkeit und Unehrlichkeit unserer 
Parlamentarier aller Parteien zu überzeugen. Der Abgeordnete von Heyde- 
brand, der nach dem Rücktritt des einsichtigeren Grafen Stirum die Füh- 
rung der preußischen Konservativen an sich gerissen hatte, erklärte in der 
pathetischsten Haltung und Stellung, zu der er sich bei seiner kleinen 
Figur emporrecken konnte: „Bis hierher, Herr Reichskanzler, aber nicht 
weiter!“ Die berufenen Stellen, führte er weiter aus, wahrten nicht ge- 
nügend die evangelischen Interessen, die regierenden Faktoren zeigten 
gegenüber dem Ultramontanismus keine Festigkeit. Während der Dis- 
kussion konnte ich beobachten, wie Herr von Heydebrand auf einen aus- 
gesprochenen Kulturkämpfer in der nationalliberalen Partei, den Abge- 
ordneten Sattler, übrigens einen tüchtigen Mann, der bald nachher an einer 
schmerzhaften Krankheit sterben sollte, lebhaft einredete, daß er noch 
schärfer gegen die Regierung vorgehen möge. Es sollte die Zeit koımmen, wo 
Herr von Heydebrand in schrofler Form und mit beklagenswerter politi- 
scher Kurzsichtigkeit mit den Nationalliberalen brach, um sich ganz dem 
Zentrum in die Arme zu werfen. Die höchsten Töne schlug der national- 
liberale Führer Professor Dr. Friedberg an. Ich sehe ihn noch vor mir, 
wie er wir mit erhobener Stimme und ausgestrecktem Arm zurief: Wenn ein 
künftiger Treitschke die innere preußische Politik vom Jahre 1904 schildern 
sollte, so würde der Kanzler Bülow schlecht wegkommen, der die Tür des 
deutschen Hauses wieder den Jesuiten geöffnet hätte. Es war mir noch ver- 
gönnt, denselben Abgeordneten Friedberg im Jahre 1917 vor mir zu sehen, 
wie er als Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums den Sitzungs- 
saal des Herrenhauses Arm in Arm mit dem Ministerpräsidenten Hertling 
betrat, ein Herz und eine Seele mit ihm, der Zeit seines Lebens den Jesuiten 
immer besonders nahegestanden hatte. „Die ganze Welt ist Bühne, und alle 
Frau’n und Männer bloße Spieler‘, sagt bei Shakespeare der melancholische 
Edelmann Jacques zu seinem verbannten Herzog. Ich brachte wenigstens 
die Lacher auf meine Seite, als ich einen Abgeordneten, der ein Jahr vorher 
für den Antrag auf Aufhebung des $ 2 gestimmt hatte, mich nun aber, als 
ich diesem Antrag entgegenkam, deshalb angriff, frug, ob er etwa jenen 
Antrag eingebracht hätte in der stillen Hoffnung, mit der Reservatio 
mentalis, die Regierung würde nicht darauf eingehen. Das wäre ja beinahe 
jesuitisch. Ich gab meinen innersten Empfindungen Ausdruck, als ich gegen- 
über den bei dieser Gelegenheit gegen mich gerichteten, zum Teil recht 
platten Angriffen bemerkte, ich verstünde jetzt die Gefühle, mit denen Hus
	        
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