DER KAISER VON BÜLOW BITTER ENTTÄUSCHT 323
hatte mit englischer Unbefangenheit, aber durchaus respektvoll und ruhig
gesprochen, der Kaiser mit guter Laune und schr höflich. Sir Charles Har-
dinge. der spätere Vizekönig von Indien, wurde von König Eduard sehr
geschätzt. Er hatte den König im August 1907 zu der Begegnung von Wil-
helmshöhe begleitet, wo ich mich mit ihm über die politische Lage und ins-
besondere über die deutsch-englischen Beziehungen in rubiger und be-
friedigender Weise aussprechen konnte. Sir Charles hatte eine große Stel-
lung in der Londoner Gesellschaft, wozu auch seine schöne, elegante und
liebenswürdige Frau beitrug. Er und ich waren gute Freunde geblieben,
seitdem wir uns in Bukarest, zwanzig Jahre vor der Homburger Entrevue,
kennengelernt hatten, wo Hardinge damals Sekretär der englischen Ge-
sandtschaft war, während ich als Gesandter das Deutsche Reich bei König
Carol vertrat.
Der ganze Vorgang an und auf dem Homburger Billard, namentlich wie
ihn sich Wilhelm II. hinterher konstruierte, trug aber leider dazu bei,
den Kaiser gegenüber allen Versuchen, mit England zu einer Verständigung
über die Flottenfrage zu kommen, noch eigensinniger zu machen, als dies
schon früher der Fall gewesen war. Als ich nach wie vor der Begegnung von
Homburg den Kaiser brieflich auf die große Vorsicht erheischende euro-
päische Lage aufmerksam machte und insbesondere darauf hinwies, daß
die deutsch-englischen Beziehungen, vor allem die Flottenfrage, behutsam
behandelt werden müßten, ließ er mir durch den ilın begleitenden Vertreter
des Auswärtigen Amts, den Freiherrn von Jenisch, antworten: er teile in
keiner Weise meine Sorgen. Jedenfalls habe er inzwischen in seinen wenn
auch kurzen Gesprächen mit Hardinge, Lascelles und König Eduard alles
wieder eingerenkt. Zu meiner Orientierung begleitete Jenisch diesen kaiser-
lichen Auftrag mit einem streng vertraulichen Kommentar, in dem er mir
nicht verhehlte, daß der Kaiser sehr verstimmt gegen mich wäre. Meine
„kühle Haltung‘ nach dem Empfange seiner Mitteilung über seinen „Er-
folg‘“ in Homburg habe ihn bitter enttäuscht. Er hätte „Dank und Lob“
erwartet. Er habe gehofft, daß ich ihn für seine Sprache gegenüber Har-
dinge „beloben“, daß ich den guten Dienst begreifen und würdigen
werde, den er mir und dem Vaterlande in Homburg erwiesen habe. Er
verstehe es nun einmal besser als die anderen Deutschen, die Engländer zu
nehmen und ihnen in aller Freundlichkeit Wahrheiten zu sagen, die ihnen
zu denken gäben und sie überzeugten. Er habe die volle Zuversicht, daß er
jetzt in Homburg im Handumdrehen nicht nur Hardinge, sondern auch
seinen Obeim, den König, für sich und seinen Standpunkt gewonnen hätte.
Der Moment sei auch besonders günstig gewesen. Der begeisterte Emp-
fang, der ihm, dem Kaiser, kürzlich in Hamburg bereitet worden sei,
dieser Empfang, bei dem er den Pulsschlag des deutschen Volks gefühlt
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Brief des
Kaisers an
Lord Tweed-
mouth