324 PRESSESTURM IN ENGLAND
habe, die wachsende Begeisterung für Zeppelin, alles das gebe John Bull
zu denken und stimme ihn vorsichtig. Überdies versichere ihm der General-
stabschef Moltke, daß wir gut gerüstet wären. Da hätten wir keinen Anlaß,
leisezutreten, und namentlich gar keine Veranlassung, das Tempo des
Flottenbaues zu verlangsamen oder zu irgendwelchen Flottenarrangements
mit Albion die Hand zu bieten. Ich möge ihn, den Kaiser, nur ruhig ge-
währen und die Dinge „nach seiner Fasson““ machen lassen. Mit den Eng-
ländern sei rücksichtslose, selbst brutale Offenheit das einzig Richtige.
Da wäre mit Diplomatisieren und Finassieren nichts zu machen. Auf die
Engländer verstehe er sich, er sei ja selbst „ein halber Engländer“. Ähnlich
wie früker in Björkö trat mir auch in Homburg wieder die Tendenz Seiner
Majestät entgegen, die auswärtigen Geschäfte möglichst selbständig zu
führen, froh „das innerliche Licht‘‘ verfolgend, wie im zweiten Teil des
Faust der Bakkalaureus. Das war aber gegenüber England noch gefährlicher
als mit Frankreich, schon weil Wilhelm II. sich einbildete, gerade in der
Behandlung der Engländer Meister zu sein. Aus dieser leider unbegründeten
Überzeugung gingen die verhängnisvollen Gespräche hervor, die Wilhelm II.
in Highcliffe Castle mit englischen „Freunden“ führte. Dieser Mentalität
war auch der bedauerliche Brief entsprungen, den der Kaiser im März 1908
hinter meinem Rücken an den Ersten Lord der Britischen Admiralität,
Lord Tweedmouth, gerichtet hatte, um ihn von der Harmlosigkeit der
deutschen Flottenbauten zu überzeugen. Nicht lange vorher hatte ich
Seiner Majestät einen Brief des Botschafters Metternich an mich unter-
breitet, in dem dieser, oft Gesagtes wiederholend, ausführte, daß jede Ver-
sicherung, unser Flottenbau sei harmlos, „das sofortige, allgemeine und
energische Dementi‘ der englischen öffentlichen Meinung erzeugen würde.
Das Bekanntwerden der neuen kaiserlichen Ingerenz in eine der hei-
kelsten Fragen der englischen Verwaltung und Politik rief in England einen
Pressesturm hervor, der den Kaiser erschreckte. Überdies hatte sein Oheim,
der König, ihn höhnisch in einem Brief gefragt, ob sein direktes Schreiben
an Lord Tweedmouth etwa „a new departure“, eine neue Aera in den
internationalen Gebräuchen und Beziehungen bedeuten solle. Der Kaiser
wollte sich bei mir damit entschuldigen, daß ich in den Tagen, wo er an
seinem Brief gedrechselt hätte, einen Schnupfen gehabt habe und er sich
wegen seines alten Ohrenleidens Katarrhen nicht aussetzen dürfe. Aber er
war sichtlich verärgert, daß sein Versuch, sich zur Verbesserung der deutsch-
englischen Beziehungen einmal wieder selbst zu „betätigen“, ein völliger
Mißerfolg, a failure, gewesen war. Über den kaiserlichen Brief an Admiral
Tweedmouth war niemand entsetzter als Admiral Tirpitz, der insbesondere
beklagte, daß der Kaiser, um Lord Tweedmouth „einzuseifen“, in fast
kindlicher Weise eine Reihe falscher Angaben gemacht hatte, die von den