Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

%xXIV. KAPITEL 
Diskussion der Lage im Bundesratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten, vertrau- 
liche Aussprache unter den leitenden Ministern » Die Stimmung im preußischen Staats- 
ministerium +» Besonders scharfe Kritik der konservativen Presse « Reichstagsdebatte 
über die kaiserlichen Gespräche »- Die Verölfentlichung eines neuen unbesonnenen 
Interviews Wilhelms II. kann noch rechtzeitig inhibiert werden 
evor der Reichstag wieder zusammentrat, fand langjähriger Tradition 
Sitzung des Bien eine Sitzung des Bundesratsausschusses für auswärtige 
Bundesrats- Angelegenheiten statt, in der ich eingehende Mitteilungen über den Stand 
ausschusses Jer deutschen internationalen Beziehungen, die bosnische Frage, die Casa- 
blanca-Affäre und über unser Verhältnis zu England gab. Der Ausschuß 
sprach mir einmütig den Dank der verbündeten Regierungen und ihr volles 
Vertrauen aus. Alle Bundesregierungen ohne jede Ausnahme wären von 
dem lebhaften und aufrichtigen Wunsche erfüllt, daß ich noch viele Jahre 
die auswärtige und innere Politik des Reiches leiten möge. Bevor die Mit- 
glieder des Ausschusses den Sitzungssaal verließen, kam es noch zu einer 
freien und freimütigen Aussprache über die durch die englischen Gespräche 
des Kaisers hervorgerufene Lage. Von allen Seiten wurde mir in ange- 
messener und würdiger Form, aber mit Ernst und mit Nachdruck gesagt, 
daß es so nicht weiter ginge, Seine Majestät der Kaiser müsse sich endlich 
größerer Vorsicht in Reden und Tun befleißigen, müsse besonnener werden, 
wenn nicht die monarchische Idee in Deutschland und damit das Reich 
selbst schweren Schaden leiden sollten. Von verschiedenen Seiten wurde 
angeregt, ob es sich nicht empfehle, daß sämtliche deutschen Fürsten in 
corpore in Berlin erschienen, um persönlich dem Kaiser ihre Sorgen und 
Bedenken vorzutragen. Ich widersprach, und nicht ohne Schärfe, diesem 
Vorschlag, der für mich nicht diskutabel sei. Eine solche Schilderhebung 
der deutschen Fürsten würde an trübe Zeiten des alten Reichs erinnern, 
sie würde im Ausland als eine Demonstration der Partikularfürsten gegen 
die Kaiserkrone und die in der Kaiserkrone gipfelnde Einheit des Reiches 
aufgefaßt werden und somit die Lage verschlimmern. Ich übernähme per- 
sönlich die volle Verantwortung dafür, daß der Kaiser sich künftigruhiger 
halten und vernünftiger benehmen würde.
	        
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