Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

ÖL INS FEUER 399 
dem Minister Aehrenthal vorzulesen hatte, mit der Versicherung, ich sei 
überzeugt, daß die ganze Krisis durch Festigkeit auf der einen, durch 
Entgegenkommen auf der anderen Seite zu einem guten Ende geführt 
werden könne. 
Ende Dezember 1908 sah ich das erste sichere Anzeichen, daß Iswolski den 
Rückzug antrat. Er richtete ein Rundschreiben an die Mächte, in dem er Iswolskis 
zwar das österreichische Vorgehen scharf kritisierte und seinen Vorschlag Rückzug 
auf Berufung einer europäischen Konferenz des näheren begründete, aber 
sich doch bereit erklärte, dem Wunsch der österreichischen Regierung inso- 
fern Rechnung zu tragen, als die Konferenz der vollendeten Tatsache, der 
Annexion, ohne Beratung zustimmen solle. Die Erörterung darüber 
zwischen den einzelnen Kabinetten könne vorher stattfinden. In ähnlichen 
Wendungen, die im Grunde eine Rückzugskanonade waren, bewegte sich 
Iswolski in der Rede, die er am 25. Dezember 1908 in der Duma hielt. 
König Eduard war während der ganzen bosnischen Krise eifrig bemüht, 
Öl ins Feuer zu gießen. Seine Lust an politischen Intrigen und seine Be- 
gabung für politische Giftmischerei zeigten sich in hellem Licht. Er hätte 
am liebsten Aehrenthal aus dem Sattel gehoben und ihn durch den öster- 
reichischen Botschafter in London, den Grafen Albert Mensdorff, ersetzt, 
der schon als entfernter Verwandter der englischen Königsfamilie, wie ich 
früher gelegentlich erwähnte, die volle Gunst des englischen Hofes genoß. 
Vorsichtiger und bedächtiger war die Haltung des englischen Ministers des 
Äußern. Sir Edward Grey war zweifellos von dem Wunsch erfüllt, es nicht 
bis zum Bruch zu treiben. Auch der damalige Unterstaatssekretär im 
Ministerium des Äußern, Sir Charles Hardinge, der seinerzeit im Homburger 
Schloß auf dem Billard mit Wilhelm II. die von mir geschilderte Unter- 
redung gehabt hatte, wirkte in friedlichem Sinne. Dagegen hetzte der eng- 
lische Botschafter in Petersburg, Nicolson, die Russen nicht nur gegen 
Österreich, sondern fast noch mehr gegen uns. Daß, wie ich vorgreifend 
erwähnen will, nicht lange nach meinem Rücktritt Nicolson im Jahre 1910 
an Stelle Hardinges beständiger Unterstaatssekretär im Ministerium des 
Äußern wurde, war ein fast ebenso übles Symptom wie die zwei Jahre 
später, 1913, erfolgte Entsendung von Delcasse als Botschafter nach 
St. Petersburg. Tadellos war während der ganzen Krisis das Verhalten 
Rumäniens oder richtiger gesagt des Königs Carol. Der König ließ mir 
schon im ersten Stadium der Krisis sagen, ich könne mich ebenso fest auf 
eine korrekte Haltung von seiner Seite verlassen, wie er überzeugt sei, 
daß ich in voller Bündnistreue für Österreich doch den Weltfrieden nicht 
gefährden lassen werde. 
Die italienische Politik geriet in eine schwierige Lage. In der Debatte, Die Haltung 
die Anfang Dezember 1908 in der italienischen Deputiertenkammer über Italiens
	        
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