Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

408 DIE HERZOGIN VON HOHENBERG 
Erzherzog hatte die Güte gehabt, mich zum Afternoon-tea einzuladen. 
Ich blieb zwei Stunden allein mit ihm und seiner Gemahlin, der Herzogiu 
von Hohenberg. Wie lebhaft steht das Bild dieses Zusammenseins mir vor 
Augen! Der Erzherzog, eine männliche, schöne Erscheinung, mit leiden- 
schaltlichen, vielleicht etwas zu leidenschaftlichen Augen, energischen Hand- 
bewegungen, offenem, geradem Wesen. Die Herzogin, keine eigentliche 
Schönheit, aber überaus anmutig, durch und durch die elegante, rassige, 
„fesche“ österreichische Komteß aus gutem Hause. Ich entsinne mich, 
daß der Erzherzog immer wieder das Gespräch auf die Zustände in Bosnien 
lenkte. Er machte aus seiner Abneigung gegen die Magyaren und seiner 
Vorliebe für die Slawen kein Hehl, klagte aber über die russisch- 
panslawistische Agitation in Galizien, in Böhmen und namentlich in 
Bosnien und der Herzegowina. Die Herzogin von Hohenberg stimmte leb- 
haft in diese Klagen ein. Sie war namentlich über die Hindernisse entrüstet, 
die der schismatische Klerus der Missionstätigkeit der „guten Franziskaner“ 
in den Weg lege. Die Franziskaner hätten unter dem religiösen Indilferentis- 
mus der ungarischen Staatsmänner und den josefinischen Tendenzen der 
österreichischen Beamten fast mehr zu leiden als früher unter der Herrschaft 
des Islam. Es war hauptsächlich ihr warmes Interesse für die katholische 
Sache, an welcher der Erzherzog und die Herzogin mit Treue und Leiden- 
schaft hingen, das sechs Jahre später das unglückliche Paar nach Serajewo 
trieb, wo, wie es in den Lamentationen von Heinrich Heine heißt, der böse 
Thanatos ihrer wartete, auf fahlem Roß. Die Ermordung des Erzherzogs 
gerade durch Serben war um so unsinniger, als der Thronerbe sicherlich die 
Slawen den Magyaren und Italienern, im Grunde auch den Deutschen, vor- 
zug. Die Slawenfreundlichkeit des Erzherzogs Franz Ferdinand war einer 
der Gründe, die ihn veranlaßten, meine Bemühungen um die Aufrecht- 
erhaltung des Weltfriedens ehrlich und aufrichtig zu unterstützen. Darin 
begegnete er sich, trotz mancher sonstiger Dillerenzen, mit dem alten 
Kaiser, der von meiner Politik so erbaut war, daß er dies auch äußerlich 
zum Ausdruck bringen wollte. Da ich schon alle österreichischen Orden 
besaß, den Stefansorden mit Brillanten, die Photographie des Kaisers 
Franz Josef in prächtigem Rahmen und mit eigenhändiger Unterschrift, 
seine Statuette aus Bronze, so verehrte mir der alte Herr nach glücklicher 
Erledigung der bosnischen Schwierigkeit sein überlebensgroßes Bild in der 
Uniform seines preußischen Regiments mit dem Bande des Schwarzen 
Adlerordens. Das Bild war von dem ungarischen Maler Leopold Horovitz 
gemalt und hat einen beträchtlichen künstlerischen Wert. 
Über die einfältigen Angriffe, die der bayrische Zentrumsabgeordnete 
und Oberzollrat Speck wegen angeblich mangelhafter Unterstützung 
unseres österreichischen Verbündeten gegen mich gerichtet hatte, be-
	        
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